Cicero - oder Der letzte Kampf um die Republik by Wolfgang Schuller

Cicero - oder Der letzte Kampf um die Republik by Wolfgang Schuller

Autor:Wolfgang Schuller
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: C H Beck Verlag
veröffentlicht: 2014-12-31T00:00:00+00:00


9.

KATASTROPHE

Bürgerkrieg, bellum civile, dieser Begriff weckte bei den Römern schreckliche Assoziationen. Noch frisch war die Erinnerung an die Kämpfe und Mordtaten, die gleich im Anschluss an den seinerseits erbitterten und blutigen Bundesgenossenkrieg die römische Gesellschaft und den römischen Staat zerspalten hatten, und ein Wunder war es, dass beide Kriegsgegner nicht daran zugrunde gegangen waren, sondern schnell auch im Bewusstsein aller eine neue Einheit bildeten. Ausrottung großer Teile des Senatoren- und Ritterstandes, öffentliche Ermordung von führenden Vertretern – Cinna ließ neben anderen sogar seinem Kollegen Octavius den Kopf abschlagen, Marius gefiel sich mit moriatur gegenüber einem seiner früheren Kollegen in altrömischer Knappheit, ein anderer wurde später erdolcht, ja, kaum zu übertreffen an Grausamkeit und Zynismus war die Ermordung ausgerechnet des Scaevola Pontifex vor dem Götterbild der Vesta. Cinna wurde von meuternden Soldaten umgebracht, dasselbe Ende hatte bereits Pompeius Strabo gefunden. Das Unerhörte von Sullas erstem Marsch auf Rom war allenfalls durch seine irreguläre Absetzung und als vorbeugende Maßnahme gerechtfertigt, erst recht dann seine zweite gewaltsame Rückeroberung nach der Gewaltherrschaft Cinnas. Aber alles wurde übertroffen durch das anschließende Blutbad der Proskriptionen, an dem sich zudem zahlreiche mindere Gestalten bis hin zu Freigelassenen bereichern konnten.

Erstaunlich war es, dass nach dem Rücktritt und dem Tod Sullas das politische Leben einigermaßen in den früheren Bahnen verlief, wenngleich die Irregularität der Karriere des Pompeius und sein ihm ungewöhnlich ergebenes Heer die Ursache für ein ständiges Misstrauen der Senatoren darstellten. Darüber übersahen die meisten lange Zeit, dass mit Caesar allmählich eine wirkliche Gefahr für den republikanischen Staat heranwuchs. Die traumatische Erfahrung der Bürgerkriege richtete sich erst kurz vor dessen Überschreiten des Rubico gegen den richtigen Mann, hatte aber keineswegs bei allen dieselbe Auswirkung. Es gab keinen allgemeinen Zusammenschluss gegen den Feind, sondern zunächst einmal wurde auch und insbesondere in Ciceros Umgebung vielfältig kalkuliert. Manche, vor allem Jüngere, richteten sich danach, wer nach ihrer Ansicht die stärkeren Bataillone zu haben schien, gemäß der Verhaltensregel, die Caelius in schöner Offenheit schon vorher in einem Brief an Cicero ausgesprochen hatte:

Wahrscheinlich bist auch Du Dir darüber klar, dass man bei inneren Streitigkeiten, solange mit zivilen Mitteln, nicht mit den Waffen gekämpft wird, auf der anständigeren Seite stehen muss, sobald es aber zu wirklichem Krieg kommt, auf der stärkeren; und dass man das für das Beste halten muss, was das Sicherste ist.[1] Nach dieser Maxime handelte Caelius dann im Dezember 50 und wechselte auf Caesars Seite; glücklich war er aber nicht dabei, brach jedenfalls die herzlichen persönlichen Beziehungen zu Cicero nicht ab. Ähnlich handelte der junge C. Scribonius Curio, den Cicero seit einigen Jahren mit Recht für ein zukünftiges großes Talent auf der optimatischen Seite angesehen und mit dem er herzliche Beziehungen unterhalten hatte. Entsprechend hatte Cicero ihn mit einer Serie von Briefen aus dem Jahr 53 bedrängt, ja sogar, wenn auch vergeblich, versucht, ihn als Leiter des Wahlkampfes für Milo zu gewinnen, den Cicero gerne als Konsul gesehen hätte.

Nachdem aber Curio für das Jahr 50 zum Volkstribun gewählt worden war, stellte er zunächst eine Reihe wenig eindeutiger Anträge, wurde dann aber



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