Biester by Unsworth Emma Jane

Biester by Unsworth Emma Jane

Autor:Unsworth, Emma Jane
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Metrolit
veröffentlicht: 2013-12-31T16:00:00+00:00


Dem Tode nah

in einer Untergrundbar

Bei Jean zu Hause setzte ich mich auf das Ende des Sofas, das der Tür am nächsten war, damit ich raus- und reingehen konnte, ohne jemanden aufzuscheuchen. Das Haus war voll, die Schlange vor dem Bad reichte die halbe Treppe runter, und Smalltalksmalltalk überall. Ich sah mir ein Gesicht nach dem anderen an und versuchte Pärchen zu erkennen; ich suchte nach zwei gleichen Gesichtsausdrücken oder Stimmungslagen wie bei diesem Kinderkartenspiel. Jean stand mit Shirley im Arm an der Wand und redete. Das weiße Taufkleid hing bis auf den Boden herab, und die schwarze Plastikantenne der Stereoanlage in dem Regal hinter Jean formte einen dunklen, eckigen Heiligenschein um ihren Kopf. Mir fiel ein, dass ich mir während ihrer Schwangerschaft gewünscht hatte, sie sehen zu können, um die Veränderungen mitzuverfolgen, das Mysterium des Lebens, das in ihr vor sich ging. Ich wollte wissen, ob sich dies Mysterium auch auf ihrem Gesicht abzeichnete.

Tyler kam mit einem Glas Cava vorbei. Mein Glas war leer. Sie kippte die Hälfte von ihrem Sekt hinein. „Danke.“

„Hey, mi Cava es su Cava.“

„Magst du ’ne Kippe?“

„Junge, und wie. Ich hab grad den Fehler gemacht, die Taufkarten zu lesen.“

Ich nippte an meinem Drink. Der Kater ließ nach. Die Konterbier-Methode funktionierte deprimierend gut. Wir stellten uns vor das Haus.

Ich schnickte zwei Zigaretten aus der Packung.

„Willkommen im Club“, sagte Tyler und nahm sich eine. „Das stand in diesen Karten. Willkommen im Club!“ Sie atmete aus. „Weißt du, was das ist, der ‚Baby Club‘? Der Baby Club ist eine dieser gotterbärmlichen Diskos am Leicester Square: grell beleuchtet, kitschig und touristenverseucht. Die Deko ist von vorgestern, es gibt nichts Anständiges zu trinken, und immer wenn jemand reinkommt, fangen die Insassen manisch zu grinsen an und sind riesig erleichtert, dass noch jemand ihren beschissenen Club betritt, weil sie nach den zwanzig Tacken Eintritt nicht wieder gehen können.“ Sie fuhr fort: „Aber das würde ich ihnen nie sagen, weißt du: Steckt euch euren beschissenen Club woanders hin – ich weiß bessere Orte.“

Ich fragte mich, ob ich erzählen sollte, dass Jim und ich ...

„Hast du Angst, dass du zu alt für ein Baby wirst, Tyler?“

„ICH BIN NEUNUNDZWANZIG!“

„In zwei Wochen dreißig.“

„Trotzdem. Mindestens fünfzehn Jahre, bevor ich Panik schieben muss. Ich weiß, du denkst, ich bin nur beleidigt, weil ich noch nicht zur Baby-Party eingeladen bin. Aber ich sag dir was, Süße, ich sag dir was. Wenn ich doch einmal beschließe, es zu tun, dann ist das etwas, das ich einfach nur tue und das ich nicht als exklusives Event vermarkte, weil es das verdammt noch mal nicht ist. Ich habe meine Definitionen, meine vorläufigen Theorien, und ich werde nie ohne ein einsames, gieriges Verlangen in der Seele weiterleben, niemals.“

Wir rauchten schweigend.

„Horch mal!“, sagte Tyler.

Ich reckte meine Ohren, meinen Hals.

„Hörst du es?“

„Meinst du das ferne Donnern des geflügelten Streitwagens der Zeit mit seinem fetten fiesen Spike vorne dran?“

„Knapp dahinter.“

Ich horchte noch einmal. „Hm, weiß nicht.“

„Ganz genau. Das Nichts. Das Geräusch der Vorstadt. Sie nennen es Ruhe und Frieden, aber in Wirklichkeit ist es der heranrückende Tod.



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