Bessere Welt: Hat der Kapitalismus ausgedient? Eine Reise durch alternative Wirtschaftssysteme (German Edition) by Corneo Giacomo

Autor:Corneo, Giacomo [Corneo, Giacomo]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783902903952
Herausgeber: Goldegg
veröffentlicht: 2014-02-15T23:00:00+00:00

Wirtschaftsdemokratie

Neben der zentralen Steuerung der Investitionen ist das andere kennzeichnende Element dieses Wirtschaftssystems die Demokratisierung der Produktionsstätte. Selbstverwaltung bedeutet hier, dass die Autorität im Betrieb von der Gesamtheit seiner Mitarbeiter ausgeht. Die arbeitenden Menschen sind weder einem Kapitalisten noch einem Bürokraten unterworfen, sondern entscheiden selbst über die eigene konkrete Produktionstätigkeit und über die Verwendung ihres Produktionsergebnisses.

Die Mitarbeiter eines selbstverwalteten Betriebs bilden eine auf Dauer eingerichtete Gemeinschaft von Erwerbstätigen, die als gleichberechtigte Mitglieder an der Führung ihres Betriebs teilnehmen. Der konkrete Prozess, durch den die Entscheidungen des Arbeiterkollektivs zustande kommen, kann verschiedene Formen annehmen. In kleinen Betrieben kann man erwarten, dass vieles basisdemokratisch in Vollversammlungen beschlossen werden könnte. In größeren Betrieben würden Vollversammlungen nur über die wichtigsten strategischen Fragen bestimmen. In der Regel würde die Belegschaft einen Betriebsrat wählen und ihm weitgehende Entscheidungsbefugnisse delegieren.

Die Wahl des Betriebsrats ist eine zentrale Angelegenheit der Selbstverwaltung, denn der Betriebsrat übt eine ähnliche Macht aus wie der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft im Kapitalismus. Die Wahl des Betriebsrats erfolgt aber nach dem demokratischen Prinzip „one man, one vote“ und nicht nach der Regel einer Aktiengesellschaft „one share, one vote“. Das Wahlrecht könnte allerdings vom Beschäftigungsgrad abhängig gemacht werden: Z. B. könnten teilzeitbeschäftigte Personen als eine Stimme und vollzeitbeschäftigte Personen als zwei Stimmen zählen. Der Betriebsrat wählt wiederum einen Vorstand, der mit der Unternehmensführung beauftragt wird.

Der selbstverwaltete Betrieb entscheidet autonom über sämtliche Markttransaktionen inklusive seiner Neuinvestitionen, der Anwendung neuer Produktionsverfahren und der Vermarktung neuer Produkte. Er entscheidet über Entlassungen sowie über Neueinstellungen. Er entscheidet über die Produktionsabläufe und die Organisation der Arbeit. Der Betrieb bestimmt über den Spezialisierungsumfang seiner Arbeitsplätze. Seine Mitglieder können sich entweder auf die Erbringung einer Leistung spezialisieren oder sich für ein Rotationsverfahren entscheiden, bei dem jedes Mitglied abwechselnd manuelle und geistige Arbeit leistet.

Der selbstverwaltete Betrieb entscheidet autonom über die Verwendung seines Einkommens nach Abführung von etwaigen Steuern. Dies heißt insbesondere, dass er über die Bezahlung der Betriebsmitglieder entscheidet. Ferner können aus dem Einkommen des Betriebs Fonds für gemeinsame Zwecke – z. B. für eine Betriebskantine oder für die Betreuung von Kindern der Mitarbeiter – gespeist werden. Ein Teil des Einkommens des Betriebs wird von diesem einbehalten und investiert.

Wie werden die Auszahlungen an die Betriebsmitglieder von einem selbstverwalteten Betrieb festgelegt? Diese Frage ist wichtig, denn die Bezahlungsregeln der Betriebe beeinflussen die Einkommensverteilung in der gesamten Gesellschaft. Ein breites Spektrum an Bezahlungsregeln ist denkbar. Eine Möglichkeit ist, dass jeder Mitarbeiter eines Betriebs genau das gleiche Einkommen wie alle anderen erhält. In diesem Fall existieren keine Stundenlöhne und die Bezahlung hängt weder von der Quantität noch von der Qualität der geleisteten Arbeit ab. Alternativ könnte der Betrieb die Arbeitszeit der einzelnen Mitarbeiter messen und sie danach entlohnen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Stundenlöhne differenziert nach Qualifikationen und Tätigkeiten zu definieren und dementsprechend die Mitarbeiter zu bezahlen. Denkbar ist auch, dass der Betrieb diese Stundenlöhne entsprechenden Marktlöhnen gleichsetzt, die z. B. aus kapitalistischen Nachbarländern übernommen werden. Die Mitarbeiter würden dann eine Auszahlung erhalten, die aus der Summe von einem individuellem marktkonformen Lohn und einer Beteiligung am Gewinn des Betriebs besteht.

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