Beim Dehnen singe ich Balladen: Geschichten und Glossen (German Edition) by Jürgen von der Lippe

Beim Dehnen singe ich Balladen: Geschichten und Glossen (German Edition) by Jürgen von der Lippe

Autor:Jürgen von der Lippe [Lippe, Jürgen von der]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Albrecht Knaus Verlag
veröffentlicht: 2015-01-21T05:00:00+00:00


Psychotennis

Sie: Was guckst du da?

Er: Tennis, siehst du doch.

Sie: Seit wann interessierst du dich für Tennis?

Er: Immer schon, und das ist ein gutes Spiel.

Sie: Wer sind die?

Er: Radwanska und Petrova.

Sie: Aha, und wer gewinnt?

Er: Petrova, leider.

Sie: Wieso leider, ist sie die schlechtere?

Er: Nein.

Sie: Aber dann ist es doch okay.

Er: Ja, natürlich ist es okay, aber ich gönne es der Rad-wanska.

Sie: Wieso.

Er: Na so halt, sie ist mir sympathischer.

Sie: Wieso denn? Guck mal, wie nett die andere gerade gelacht hat, und deine guckt so verbiestert.

Er: Es geht doch nicht ums Lachen.

Sie: Um was denn?

Er: Sie spielt eleganter und intelligenter.

Sie: Warum gewinnt sie dann nicht?

Er: Es gibt so was wie eine Tagesform, dann liegt einem nicht jeder Gegner, und innerhalb der Top-100-Spieler kann sowieso jeder jeden schlagen.

Sie: Und das hat nichts damit zu tun, dass du die Raddingsbums einfach geiler findest?

Er: Sie heißt Radwanska, und findest du nicht, dass du dich ein bisschen ordinär ausdrückst?

Sie: Ahh, touché, ich habe den Nagel auf den Kopf getroffen, und jetzt lässt der Herr plötzlich den Feingeist raushängen, ihr Kerle seid so was von schlicht gestrickt, warum machst du jetzt den Fernseher aus?

Er: Ich muss noch was arbeiten, du willst schließlich eine neue Waschmaschine, obwohl die alte noch geht.

Sie: Da ist schon dreimal der Schlauch geplatzt, und der nette Herr vom Kundenservice hat gesagt, da sind alle Zuleitungen verkalkt, und irgendwann setzt die uns die ganze Bude unter Wasser.

Er: Das würde ich auch sagen, wenn ich einer unbedarften Hausfrau eine neue Maschine andrehen will.

Sie: Du wirst jetzt nicht zufällig persönlich, nur weil ich dich dabei ertappt habe, wie du dich an einer Tennisspielerin verlustierst?

Er: Warum sagst du nicht aufgeilst, wenn du es doch offensichtlich meinst?

Sie: Ich will mich nicht wieder ordinär ausdrücken, da bist du doch heute so sensibel.

Er: Du gehst mir langsam auf den Wecker, lass mich bitte arbeiten.

Sie: Guck mal, ich habe hier zwei Clownsnasen, die setzen wir jetzt auf, und dann streiten wir weiter.

Er: Drehst du jetzt ganz durch?

Sie: Das ist ein Streittipp aus Eckart von Hirschhausens Liebesbuch, das soll entkrampfen, ich find’s eine süße Idee. Ist sowieso ein toller Mann.

Er: Du schiebst dir jetzt die Clownsnasen samt Buch und Autor hinten rein und lässt mich in Ruhe arbeiten.

Sie: So scheiße, wie du drauf bist, fällt dir sowieso nichts Lustiges ein, guck lieber weiter Tennis, übrigens, findest du nicht, dass die Radlowski sehr schmale Lippen hat, du stehst doch eher auf volle Lippen?

Er: Wer sagt das?

Sie: Du. Zumindest kurz nachdem wir uns kennengelernt hatten, hast du mir in der Pizzeria Anselmo gesagt, ich hätte Lippen wie Julia Roberts und darauf führst du besonders ab!

Er: Das soll ich gesagt haben? Zu dir? Das glaube ich nicht.

Sie: Wie bitte? Heißt das, du findest auf einmal, ich bin schmallippig, so wie deine Ratzkowski?

Er : Ja, und was hältst du davon, wenn ich dir ein paar Tennisstunden spendiere?

Der Krach dauerte eine Woche, sie ließ ihn praktisch am ausgestreckten Arm verhungern, und auch in der Männergruppe »Wie sag ich’s meiner Frau«, wie sie ihren Stammtisch nannten, konnte ihm keiner erklären, was so schlimm an seiner Antwort gewesen war.



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