Anstifter zur Beteiligung? by Siri Hummel

Anstifter zur Beteiligung? by Siri Hummel

Autor:Siri Hummel
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Walter de Gruyter GmbH
veröffentlicht: 2019-07-15T00:00:00+00:00


5.4Theorie- und empiriegeleitete Hypothesenbildung und Prämissen

Die Hypothesenbildung dient der Zergliederung der Forschungsfrage in kleinere, überprüfbare Einheiten und sind, um es mit Popper zu sagen, erstmal Vermutungen.539 Diese Vermutungen können entweder auf deduktivem Wege, ausgehend von bereits aufgestellten Theorien, oder auf induktivem Wege, also auf Grundlage des gesichteten Materials entstehen. Mayring spricht deshalb auch von theoriegeleiteter und empiriegeleiteter Hypothesenbildung.540 Eine Kombination beider Möglichkeiten ist ebenfalls denkbar und wurde auch für die vorliegende Untersuchung vorgenommen. Während die empiriegeleiteten Hypothesen mithilfe eines Samples von circa 10 Prozent des gesamten Textkorpus generiert wurden, erfolgte parallel die theoriegeleitete Bildung der Hypothesen. Diese ergaben sich zum einen über die theoretischen Ansätze der ersten Kapitel zu Demokratietheorie und Stiftungsforschung und zum anderen über eine gerasterte Literaturrecherche ausgehend von Untersuchungen, die sich bereits empirisch mit dem Phänomen von selektiver Beteiligung oder Aktivierung politischer Beteiligung beschäftigt haben. Der Suchvorgang gestaltete sich zum einen über die in den theoretischen Arbeiten genannten Literaturhinweise im sogenannten Schneeballverfahren, zum anderen über eine Stichwortsuche instruktiver Schlagworte wie [politische Beteiligung und Stiftungen] in verschiedenen bibliothekarischen Katalogen, wie dem des Gemeinsamen Verbundkataloges oder der Deutschen Nationalbibliothek. Die Ergebnisse dieser Suche verliefen stark interdisziplinär und lieferten neben einigen inspirierenden Einsichten unterschiedlichster Forschungszugänge und -ansätze erneut die Bestätigung der aufklaffenden Forschungslücke.

Des Weiteren bediente ich mich der weniger in den empirischen Sozialwissenschaften als vielmehr in der Philosophie gängigen Verwendung sogenannter Prämissen, also Vorannahmen, die der Operationalisierung der Annahme dienen. Sie stellte in vielen Fällen gewissermaßen die Vorstufe zur Hypothesenbildung dar. Ein Beispiel: Der in den ersten beiden Kapiteln vorgestellte Forschungsstand in der Partizipationsforschung geht davon aus, dass bildungsferne Menschen weniger stark politisch partizipieren. Dann wäre eine Prämisse, dass ein hoher Bildungsstatus mit einem komplexeren Sprachverständnis einhergeht, weil man im Verlaufe seines Bildungsweges lernt, anspruchsvollere Sprachstrukturen einzuüben und zu verwenden. Weniger gebildete Menschen sind folglich ungeübter in diesem Gebrauch. Als Hypothese lässt sich darauf aufbauend annehmen und überprüfen, ob die Flyer der Stiftungen mehr oder weniger komplex geschrieben sind. Dies kann anhand von Lesbarkeitsindices ermittelt werden. Als Kategorie wurde also Sprachvariabilität aufgestellt mit einer jeweiligen Unterkategorie (in MAXQDA als Subcodes bezeichnet) Sprachkomplexität. Ein weiteres Beispiel wäre die Kategorie Kosten: Da Menschen mit geringen Einkommen zu denjenigen Bevölkerungsteilen zählen, die laut der Forschung weniger partizipieren, werden erhobene Kosten zu einer Kategorie, die, wenn Kosten entstehen, gegen eine inklusionssensible Umsetzung der Stiftungsprogramme sprechen. Als Prämisse gehe ich davon aus, dass Veranstaltungen, die etwas kosten, Menschen mit geringen Einkommen abschrecken, daran teilzunehmen. Als Hypothese in Anwendung auf die untersuchten Texte gilt dann die Frage, in welchem Umfang und zu welchem Angebot die Stiftungen Kosten erheben oder im Kontext der Teilnahme entstehen können.

Prämissen und Hypothesen bilden also den Grundstein für die Kategorienentwicklung, die eine operationalisierte Matrix zur Identifizierung jener Textpassagen darstellt, welche Aussagen über die inklusionssensiblen Maßnahmen der Stiftungen sowohl in Form als auch in inhaltlicher und performativer Art zulassen. Mit der Kategorienbildung ist die Festlegung jener Gliederungsprinzipien gemeint, die der Identifizierung der erkenntnisrelevanten Textstellen dienen.541 Wie die Hypothesenbildung wurden sie in Kombination von theoriegeleiteter Deduktion (im Vergleich mit anderen Untersuchungsansätzen) und empiriegeleiteter Induktion (mittels Textstichproben) erstellt.



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