Alles unter dem Himmel by Tingyang Zhao

Alles unter dem Himmel by Tingyang Zhao

Autor:Tingyang, Zhao
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: China, Chinesische Philosophie, Hobbes, Kant, Politische Philosophie
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2020-03-15T00:00:00+00:00


1563. Der Kampf um die Herrschaft über die Zentralebene: Die »Jagd auf den Hirschen«

Der Ausdruck »Das Tianxia jagt den Hirsch« taucht zum ersten Mal im Shiji (史记) auf: »Der Qin (Dynastie) war der Hirsch entlaufen, das ganze Tianxia machte Jagd auf ihn.«67 An dieser Stelle steht der Hirsch für die höchste Macht. Es bleibt einigermaßen rätselhaft, warum als Symbol der Macht ein Hirsch gewählt wurde. Die Macht ist die Jagdbeute des politischen Wettstreits. Die Wahl eines Tieres als Symbol der Macht ist leicht nachvollziehbar, aber in der Frühzeit der Zentralebene gab es zahlreiche jagbare Tiere, es war eine Periode globaler Erwärmung,68 das Klima feuchtwarm, die Vegetation üppig. Es gab viele Tiere, die weit stärker, größer und machtvoller waren, nicht nur Rinder, Bären, Tiger und Leoparden, es gab sogar Elefanten und Rhinozerosse. Warum also wählte man den Hirschen als Symbol der Macht? Das ist in der Tat schwer verständlich. Das früheste schriftlich dokumentierte Bild eines Hirschen findet sich im Buch der Lieder: »You, you ruft der Hirsch«, es ist ein friedvolles, glückverheißendes und warmes Bild, mit Macht hatte es offenbar nichts zur tun. ZHANG Guanzhi äußerte folgende Vermutung: In antiken Grabstätten findet man Knochen von Hirschschulterblättern, die als Orakel-Knochen verwendet wurden, sie haben womöglich eine »rituelle Bedeutung« und stehen so mit der »Jagd auf den Hirschen« in Verbindung.69 Als Beweis genügt das allerdings nicht. Schulterblätter von Hirschen mochten zu rituellen Zwecken verwendet worden sein, aber Rinderknochen wurden viel häufiger zu Orakelzwecken verwendet. Besonders wertvoll waren Schildkrötenpanzer, das deutet darauf hin, dass die »rituelle Bedeutung« von Rinderknochen und Schildkrötenpanzern die von Hirschschulterblättern übertraf. Auch eine andere Annahme ist denkbar: In der Frühzeit der Zentralebene mochten Tiger und Elefanten besser geeignet sein, Macht zu symbolisieren, aber sie waren wild und gefährlich, sie waren nicht einfach eine Jagdbeute, sondern Gegner von Kämpfen auf Leben und Tod. Nur reine Beutetiere eigneten sich als Gegenstand einer konkurrierenden Jagd und darunter ist der Hirsch das Modell einer Jagdbeute. Er übertrifft an Anmut und Schönheit das Wildschwein, die Gemse, den Fuchs und den Hasen und er hat ein an eine »Königskrone« erinnerndes Geweih, das passt zu einem Symbol der Macht. Es gibt 157einen indirekten Beweise dafür: Im Buch der Wandlungen heißt es: »Wer ohne (Unterstützung) seine(r) Jäger dem Hirsch nachspürt, findet sich allein inmitten des Waldes. Der Edelmann verschmäht die Gelegenheit und zieht sich zurück.«70 Damit wird gesagt, dass ein Adliger ohne Anleitung durch den Forstverwalter, den Hirsch, der sich im dichten Wald verbirgt, nicht blindlings verfolgen soll. Das ist ein Hinweis darauf, dass zu jener Zeit die Jagd auf den Hirschen ein unter Anleitung von fachlich kompetenten Gefolgsleuten durchgeführtes, dem Monarchen und dem Adel vorbehaltenes Wettkampf-Spiel war. Auf diese Weise könnte der Hirsch zum Symbol der Macht geworden sein.

Der Dreh- und Angelpunkt des Spiels der »Jagd auf den Hirschen« ist seine unwiderstehlichen Attraktivität. Die »Jagd auf den Hirschen« der Zentralebene ist ein Konkurrenzkampf um die politische Macht. Um die Kontrolle über diese größte Ressource zu erringen, kämpften zahlreiche politische Kräfte in den weiten Territorien rings um die Zentralebene um die höchste Macht.



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