Das Gilgamesch-Epos - Mythos Werk und Tradition by Walther Sallaberger

Das Gilgamesch-Epos - Mythos Werk und Tradition by Walther Sallaberger

Autor:Walther Sallaberger
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: C H Beck Verlag


Das altbabylonische Gilgamesch-Epos: der Mensch

Aus den Stoffen, die über den Helden und König Gilgamesch im Umlauf waren, wurde als einheitliche Erzählung das altbabylonische Gilgamesch-Epos geschaffen, die Urform des jungbabylonischen Epos. Die Bezeichnung «altbabylonisch» meint neben der Entstehungszeit vor allem die Sprache des Textes. Altbabylonisch ist die in der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends in Babylonien gesprochene Form des Akkadischen. Das altbabylonische Gilgamesch-Epos dürfte wohl zur literarischen Blütezeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden sein. Von diesem Meisterwerk sind nur Reste erhalten; die Abschriften können gelegentlich stärker voneinander abweichen. Der altbabylonische Text diente noch in der Späten Bronzezeit (16.–13. Jahrhundert) als Vorbild, als mit der Keilschrift auch babylonische Literatur im gesamten Vorderen Orient verbreitet wurde und dann Nachdichtungen in hethitischer und in hurritischer Sprache entstanden.

Das altbabylonische Epos begann mit dem Preis des Königs und Helden. Enkidus Ankunft in Uruk wird ähnlich wie im jungbabylonischen Text erzählt. Von der Fahrt in den Zedernwald und den Träumen liegen unterschiedliche Fassungen vor, doch gerade solche Aufzählungen und Beschreibungen sind besonders anfällig für Variationen. Auch die Abweisung Ischtars und der Himmelsstier müssen ebenso wie Traum und Bestattung Enkidus und der Aufbruch Gilgameschs schon Thema des altbabylonischen Textes gewesen sein. Wie im Tod des Gilgamesch angedeutet, führt die Reise zum Sintfluthelden; erhalten ist davon der Aufenthalt am Ufer des Meeres mit der Schenkin und dem Schiffer.

Aus den vorliegenden Erzählungen wurde also nur weniges ausgewählt. Die sumerischen Epen Gilgamesch und Huwawa A und Gilgamesch und der Himmelsstier gingen in das altbabylonische Epos ein; einzelne Motive stammen aus Gilgamesch, Enkidu und die Unterwelt mit der Unterdrückung Uruks und aus Tod des Gilgamesch mit der Durchführung der Bestattung; Gilgamesch und Agga fehlt dort ganz. Zudem wurden die übernommenen Themen neu gedeutet, wie oben am Wandel im Huwawa-Bild (S. 62) oder den Gründen für die Abweisung Inanas/Ischtars (S. 63) erläutert. Die neue Deutung der Gilgamesch-Erzählungen beruhte auf einem gewandelten Interesse am Stoff. Denn obwohl Gilgamesch markant schon in der ersten Zeile «Herausragend über die Könige» als Herrscher vorgestellt wurde, galt das Interesse nun eher dem Menschen als dem König. Zwei Aspekte, der Tod als Grenze des Lebens und die Freundschaft, bestimmen das altbabylonische Epos und grenzen es sehr deutlich von den sumerischen Dichtungen ab.

In der Literatur- und Geistesgeschichte Mesopotamiens zeichnet sich die altbabylonische Zeit dadurch aus, dass das Thema des Todes besondere Aufmerksamkeit erfuhr, und da bot sich als Stoff die Erzähltradition um Gilgamesch an. Dieses Interesse der altbabylonischen Dichtung am Sinn von Leben und Tod äußert sich auch in Atrahasis, der Sintfluterzählung (s.S. 76). Sumerische Mythen behandelten zwar durchaus die Erschaffung des Menschen, nicht aber das Wesen des Todes. Die Weisheitsliteratur lässt denselben Wandel der Perspektive beobachten. Denn aus dem dritten Jahrtausend liegen immerhin Sprichwörter und der Rat des Schuruppag vor, eine Sammlung von Unterweisungen eines Vaters an seinen Sohn, sich ehrlich und anständig zu verhalten, Streit zu vermeiden und geschickt zu wirtschaften. In altbabylonischer Zeit rang man nun mit dem Problem, dass dieses Bemühen um irdischen Gewinn angesichts der Unausweichlichkeit des Todes zum Scheitern verurteilt sei.



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