11-Drei Grazien by Petros Markaris

Autor:Petros Markaris [Markaris, Petros]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783257609202

{188}22

Sobald ich im Büro bin, melde ich mich bei Karabetsos.

»Treffpunkt im Verhörraum«, verkündet er mir freudig.

»Und was wollen wir dort? Uns gegenseitig vernehmen?«, wundere ich mich.

»Dort gibt’s die Überraschung!«, antwortet er.

»Nein, zuerst musst du bei mir im Büro vorbeikommen, weil eine andere Sache vorgeht. Danach können wir zum Verhörraum gehen.«

Er begreift, dass es etwas Wichtiges sein muss, und erhebt keine Einwände. »Bin gleich da.«

»Was gibt’s?«, fragt er mich, als er mir gegenüber Platz genommen hat.

Ich berichte ihm von Archontidis’ politischer Tätigkeit in Italien und meinem Gespräch mit Pestoni. Kaum fällt der Namen Lotta continua, horcht er auf.

»Lotta continua? Das ist doch eine Terrororganisation!«

»Pestoni hat sie mir als revolutionäre Gruppierung mit Aktionsradius in Studenten- und Arbeiterkreisen beschrieben.«

»Pestoni lebt in Griechenland. Kann sein, dass er nicht so gut Bescheid weiß. Bei der italienischen Polizei gilt sie als Terrororganisation.«

{189}Da habe ich meine Zweifel, aber Karabetsos ist der Fachmann. »Was meinst du«, frage ich ihn, »können wir eine Anfrage bei der italienischen Polizei starten? So bringen wir in Erfahrung, ob Archontidis im Visier der Italiener war.«

Karabetsos blickt mich mit einem verschmitzten Lächeln an. »Bevor wir mit den Italienern Kontakt aufnehmen, kommt aber die Überraschung!«, hält er mir entgegen. »Erst danach sollten wir weiter überlegen.«

»Also, was hat es damit auf sich?«, frage ich ärgerlich, da er mir mit seiner »Überraschung« schon auf die Nerven fällt.

»Es handelt sich um einen Überraschungsgast namens Nikos Kordonas. Früher gehörte er einer griechischen Terrorgruppe an. Wir schnappten ihn, als er eine Autobombe am Wagen eines Unternehmers anbringen wollte. Er hat kooperiert und ist mit einer leichten Strafe davongekommen. Jetzt ist er auf freiem Fuß, hat sich vom Terrorismus abgewendet und arbeitet freiwillig mit uns zusammen. Immer wenn ich ihn brauche, schicke ich ihm aus Sicherheitsgründen eine of‌fizielle Vorladung. Ich will sein Leben nicht aufs Spiel setzen und ihn als Informanten nicht verlieren.«

Wir gehen in den Verhörraum, und kurz danach führt ein Beamter Kordonas herein. Er ist ein großgewachsener Mann mit Bart, der die vierzig überschritten haben muss. Karabetsos stellt mich vor, Kordonas begnügt sich mit einem knappen »Hallo«.

»Nikos, wir brauchen dein Spezialwissen«, sagt Karabetsos zu ihm.

{190}»Na ja, in vielen Dingen bin ich auch nur Laie«, erwidert Kordonas.

»Hast du von den Morden an den beiden Universitätsprofessoren gehört, die in die Politik gegangen sind?«

»Na und ob, ich habe auch die Bekennerbriefe gelesen.«

»Glaubst du, dass die Morde von einer Terrorgruppe begangen wurden?«

Kordonas blickt ihn verdutzt an. »Was redest du da, Karabetsos? Wie lange bist du schon bei den Bullen? Hast du immer noch nichts dazugelernt?«, regt er sich auf. »Seit wann töten Terroristen Professoren, die in die Politik gehen? Das geht denen doch am Arsch vorbei, ob die an der Uni oder im Parlament sitzen. Terroristen bekämpfen das kapitalistische System und versuchen es zu destabilisieren. Was soll das für eine Terrororganisation sein, die von Verrat spricht, weil irgendwer sein Lehramt an den Nagel hängt, und ältere Professoren in den Himmel lobt? Ein Bekennerschreiben mit terroristischem Hintergrund ist immer ideologisch motiviert. Die beiden, die hier vorliegen, hören sich hingegen an wie ein Gottesurteil.«

»Wir fragen

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