Zone 40 by Schlieper Birgit

Zone 40 by Schlieper Birgit

Autor:Schlieper, Birgit [Schlieper, Birgit]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-426-42007-2
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2012-12-17T00:00:00+00:00


Partytime

Natürlich hätten Sabine und ich misstrauisch werden müssen, als Yvonne uns zu einer Party einlud. Normalerweise redet die Chefkorrespondentin der Exportabteilung nicht mehr als drei Worte mit uns. Und plötzlich lud sie uns ein. »Party« war nicht das Wort, das sie benutzte. Sie bat uns vielmehr zu einem Drink am kommenden Sonntag um vier Uhr. Ich treffe mich gerne morgens zum Brunch, am Mittag auf eine Pizza, am Abend auf ein Glas Wein oder Bier und immer gerne auf drei bis fünf Tassen Kaffee. Aber einen Drink am Sonntagnachmittag habe ich noch nie jemandem angeboten. Schon gar nicht jemandem, mit dem ich noch nicht mal rede, wenn ich alleine mit ihm im Fahrstuhl fahre. Sabine und ich waren ob der Einladung so perplex, dass wir spontan zusagten. Schon im Treppenhaus hörten wir fröhliches Geschnatter. Erstaunt sahen wir, dass sich auf der Sitzlandschaft von Yvonne schon fünf weitere Kolleginnen lümmelten. Die letzten beiden Stühle (von acht gleichen Stühlen!) waren für uns freigehalten worden. Der Drink entpuppte sich als halbtrockener Sekt, der Umtrunk als Tupperparty. Hätte ich nur im Entferntesten geahnt, was für ein perfides Spiel unsere Chefübersetzerin mit uns spielt, hätte ich ihr aber die Meinung gesagt. Ahnungslose Bekannte zu einer Verkaufsveranstaltung zu locken, ist nicht besser, als im Familienkreis Versicherungen zu verticken. Der Gruppenzwang ist ein ganz hinterhältiges Mittel, mit dem sich Hausfrauen ihr Taschengeld aufbessern. Wird diese Art der Heimarbeit eigentlich versteuert? Ich war echt wütend, als eine falsche Rothaarige die Überlebensfähigkeit der Behälter anpries. Schnell war ich sicher: Irgendwann wird jegliches Leben von unserem Planeten verbannt sein. Das Einzige, was überlebt, sind Tupperdosen in allen erdenklichen Formen und Größen. Und was es da an Formen und Größen gibt. Wer eine einzelne Weintraube einfrieren möchte, findet das richtige Behältnis. Auch für einen mannshohen Baumkuchen ist die passende Verpackung da. Sabine und ich warfen uns spöttische Blicke zu. »Wie spießig«, dachten wir beide synchron. Bis Sabine fragte: »Kann ich die Töpfe auch bedenkenlos auskochen, oder löst sich dann die oberste Schicht ab?« Die Rothaarige lächelte und bleckte gleichzeitig die Eckzähne. Sie versicherte, dass man alles von Tupper quasi atomisieren könne, ohne dass auch nur eine Mikrofaser freigesetzt würde, die für ein Kind gefährlich werden könnte. Sabine war Feuer und Flamme, ich beleidigt. Ich fühlte mich angewidert von so viel Hausfraulichkeit. Dass ich den kleinen Umtrunk, der nach der vierten Flasche Halbtrockenem irgendwie an Fahrt zunahm, mit einer Salatschleuder verließ, ändert an meiner grundsätzlich ablehnenden Haltung nichts. Solche Partys sind hinterhältig, aber eine Salatschleuder wollte ich schon lange kaufen. Und die machte wirklich einen sehr guten Eindruck.

Wenn die nächste Party wieder ein normales Fest mit Salaten, Knabberwerk, Bier, Wein und Apfelschorle geworden wäre, hätte ich mich über Tupper-Yvonne vielleicht gar nicht so gewundert. Es wäre ein singulärer Ausrutscher gewesen. Die nächste Party veranstaltete aber die Nachbarin von Sabine. Kaum hatten wir den ersten halblieblichen Sekt runtergewürgt, fingerte sie an überdimensionalen Ohrringen. Die hätte sie neu, lachte sie halb stolz, halb hysterisch. Dazu hätte sie auch gleich zwei Ringe und einen Halsreif gekauft.



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