Mann und Frau by Erich Fromm

Mann und Frau by Erich Fromm

Autor:Erich Fromm [Fromm, Erich]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Fachbuch
ISBN: 978-3-95912-130-9
Herausgeber: Edition Erich Fromm
veröffentlicht: 2016-01-13T16:00:00+00:00


Fragen aus dem Publikum

Unterscheidet sich Ihre Vorstellung von der reinen Selbstlosigkeit der Zärtlichkeit von der Auffassung Freuds?

Es war nicht meine Absicht, die Zärtlichkeit als etwas Selbstloses[6] zu kennzeichnen. Ich halte Zärtlichkeit für eines der freudvollsten und das Selbst am meisten bestätigenden Erlebnisse, die man haben kann. Die meisten Menschen sind auch zur Zärtlichkeit fähig und haben beileibe nicht das Gefühl, dass Zärtlichkeit etwas mit Selbstlosigkeit oder Sich-Aufopfern zu tun habe. Nur für den, der nicht zärtlich sein kann, ist Zärtlichkeit ein Opfer.

Für eine zärtliche, liebevolle Mutter oder einen zärtlichen Menschen im allgemeinen ist Zärtlichkeit genauso befriedigend und beglückend wie die Befriedigung von Sexualität, Hunger oder einem anderen Trieb. Übrigens räumt Freud der Zärtlichkeit in seiner Doktrin nur sehr wenig Raum ein. Das ist verständlich, denn seine gesamte Arbeit konzentrierte sich so sehr auf eine andere Art von Trieben, dass für die Zärtlichkeit in seinem System kaum Platz war.

Was ist besser für die seelische Gesundheit der Bevölkerung: eine patriarchalische oder eine matriarchalische Gesellschaft?

Dieses ist natürlich eine müßige Frage, weil sich tatsächlich keiner dazu entschließt, [VIII-397] die Dinge so zu ändern, wie es für die seelische Gesundheit der Bevölkerung besser wäre. Es gibt Fragen, auf die es weit definitivere Antworten gibt als auf diese, zum Beispiel, ob es für das Wohlergehen der Bevölkerung besser wäre, wenn es keinen Krieg mehr gäbe. Hier lautet die Antwort entschieden ja, und dennoch macht es uns offenbar die größten Schwierigkeiten, dafür zu sorgen, dass das, wovon wir wissen, dass es zutrifft, auch durchgeführt wird.

Die Frage, ob ein matriarchalisches oder ein patriarchalisches System besser sei, ist schwer zu entscheiden. Tatsächlich halte ich die Frage in dieser Form für falsch gestellt. Man kann sagen, das matriarchalische System betont mehr die natürlichen Bindungen, die natürliche Gleichberechtigung und die Liebe, und das patriarchalische System legt – verglichen mit der alten matriarchalischen Kultur – größeren Wert auf die Zivilisation, das Denken, den Staat, auf Erfindungen, auf die Industrie und alles, was dem Fortschritt dient.

Meines Erachtens kann man die Frage nur so beantworten, dass es das Ziel der Menschheit sein muss, keinerlei Hierarchie zu haben, weder eine matriarchalische noch eine patriarchalische. Wir müssen eine Situation erreichen, in der die Geschlechter in ihrer Beziehung zueinander nicht den Versuch machen, sich zu beherrschen. Nur so können wir ihre wirklichen Unterschiede, ihre wirkliche Polarität entwickeln.

Es ist wichtig zu sehen, dass unser Kultursystem nicht die Erfüllung dieses Zieles darstellt, wenn es auch so scheinen möchte. Es ist das Ende der patriarchalischen Herrschaft, aber es ist noch kein System, in dem beide Geschlechter sich gleichberechtigt gegenüberstehen. Immer noch findet weitgehend ein Kampf zwischen ihnen statt. Ich bin überzeugt, dass es sich bei diesem Kampf bis zu einem gewissen Grade nicht um einen individuellen Kampf zwischen zwei Menschen handelt, sondern dass es immer noch um den uralten Kampf zwischen den Geschlechtern geht. Immer noch geht es um den Konflikt zwischen Mann und Frau, die beide voller Verwirrung nicht recht wissen, welches ihre jeweilige Rolle ist. Sollte er stark, sollte sie reich an Phantasie, sollte er gefügig sein und



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.