Wohin du auch fliehst by Elizabeth Haynes

Wohin du auch fliehst by Elizabeth Haynes

Autor:Elizabeth Haynes
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: Diana Verlag
veröffentlicht: 2013-05-18T22:00:00+00:00


»Ja«, sagte ich.

»Du weißt, dass du das kannst. Du bist mutiger, als du denkst«, sagte er.

»Vielleicht«, sagte ich und trank meinen Tee. Er war heiß und schmeckte herrlich.

Als wir das Café verließen, lächelte ich immer noch. Die Sonne schien nur blass vom Himmel, tauchte aber alles in ein freundliches Licht. Wir gingen wieder zurück zum Pier.

Der Wind hatte ein wenig nachgelassen, doch am Wasser war es immer noch stürmisch. Wir setzten uns an eine geschützte Stelle, sahen den Wellen und den Möwen zu, die versuchten, auf dem Geländer zu balancieren. Draußen auf dem Meer waren die Wolken dunkel und riesig, hinter uns schien die Sonne und wurde von den glänzenden Brettern des Holzstegs reflektiert.

»Ein bisschen windig, was?«, sagte ein alter Mann. Er hatte sich die Mütze tief über die Ohren gezogen, ein paar graue Strähnen flatterten wild darunter hervor. Seine Brille war voller Meerwassertropfen.

»Nur ein bisschen«, pflichtete ich bei.

Er hielt seine Frau fest an der Hand. Ihre faltigen Hände waren voller Altersflecken, ihr Ehering war dünn geworden und saß locker hinter ihrem Fingerknöchel. Ihre Wangen waren rosig, sie hatte blaue Augen, ein gemustertes Tuch hielt ihre Haare zusammen und ihre Ohren warm. Sie kicherte und zeigte auf eine junge Möwe mit braunen Flecken und großen Schwimmfüßen, die vom Geländer geweht worden war und nun wie wild gegen den Wind anflatterte.

Wir liefen weiter. Die Fahrgeschäfte am Rummelplatz waren fast alle geschlossen, Planen flatterten im Wind, und die Sitze waren nass. Auf der anderen Seite des Piers entlangzulaufen wäre Wahnsinn gewesen – der Wind zerrte an unseren Jeans, die Gischt peitschte uns wie horizontaler Regen ins Gesicht. Über der tosenden Meeresoberfläche schwebte der Geist des West Pier, man konnte meinen, die Knochen eines längst verstorbenen Seeungeheuers würden angespült.

Wir gingen zurück zur Uferpromenade, betraten eine dampfende Pommesbude voller Menschen in feuchten Klamotten, die über den Wind lachten. Wir kauften uns eine große Tüte Pommes, setzten uns draußen auf eine Mauer, aßen sie mit den Fingern und lauschten auf das Kreischen der Möwen, die darauf warteten, dass wir ihnen etwas abgaben. Ich rechnete schon beinahe damit, dass mir eine die Pommes aus der Hand riss.

Ich hörte Stuart zu, der mir Geschichten von den Ausflügen ans Meer erzählte, die er als Kind unternommen hatte. Von Spielautomaten am Ende des Piers, von sonnenverbrannten Beinen und Keschern an Bambusstangen.

»Was ist mit deinen Eltern?«, fragte ich.

»Meine Mutter starb an Krebs, als ich fünfzehn war«, sagte er. »Dad lebt in der Nähe von Rachel. Ihm geht es gut – aber er wird langsam alt. Ich habe ihn vor ein paar Monaten kurz gesehen. Nächsten Monat werde ich ihn besuchen, ich habe ein paar Tage frei.«

»Ist Rachel deine Schwester?«

»Ja, sie ist älter und sehr viel klüger. Was ist mit deiner Mom und deinem Dad?«

»Die sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als ich noch studierte.«

»Das muss heftig gewesen sein. Tut mir leid.«

Ich nickte.

»Keine Brüder oder Schwestern?«

»Nur ich.«

Wir hatten nur noch ein paar Pommes übrig, die harten am Tütenboden. Ungeachtet der Schilder, die das Füttern von Möwen verboten, schüttete sie Stuart auf den Boden und warf die Tüte in eine Mülltonne.



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