Wie gut ist Ihre Allgemeinbildung - Politik & Gesellschaft? by Martin Doerry

Wie gut ist Ihre Allgemeinbildung - Politik & Gesellschaft? by Martin Doerry

Autor:Martin Doerry
Die sprache: de
Format: mobi, epub
ISBN: 9783462304510
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch Verlag
veröffentlicht: 2011-05-25T18:34:02+00:00


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Herr Richling, Sie haben mal gesagt: Bildung ist Selbsterniedrigung – wer gebildet ist, merkt schneller, was er alles nicht weiß. Lebt sich’s dümmer wirklich besser?

Man könnte meinen, nichts zu wissen, ist sehr angenehm. Ich bin meine Welt, lehrt uns der Philosoph Ludwig Wittgenstein. Mit anderen Worten: Was ich weiß, ist meine Welt. Je weniger ich weiß, umso dominanter bin ich in dieser Welt. Und umgekehrt: Je mehr ich weiß, umso mehr umgibt mich – und umso kleiner werde ich. Nichtwissen kann zu einer gewissen trügerischen Größe verhelfen.

Dann sollte man es mit der Bildung lieber nicht übertreiben.

So könnte man es überspitzt sagen. Wenn man es noch weiter überspitzt, könnte man behaupten: Selbstmord kommt meistens nicht daher, dass man zu wenig weiß.

Eine gute Allgemeinbildung ist also gefährlich – aber wie wichtig ist sie?

Das ist natürlich eine Generalfrage. Bildung sich anzueignen, das war ja mal ein großes Ziel. Ich habe den Eindruck, dass es nicht mehr so viele verfolgen, seit das Wissen stets abrufbar ist. Heute sagen sich viele: Mit einem Mausklick hab ich alles. Das Internet unterstützt die Leute in ihrer Trägheit.

Wie macht man dann politisches Kabarett? Ein Witz funktioniert doch nur, wenn die Leute wissen, worüber sie lachen.

Im Idealfall bedienen Kabarettnummern beides: Sie sind sehr komisch aus sich heraus, werden aber auf einer tieferen Ebene noch komischer. Ein Beispiel: In meinem aktuellen Programm »Der Richling-Code« rede ich auch über Amtsmissbrauch, unter anderem durch Helmut Kohl mit den Flick-Spenden. Ich sage dann, dass Kohl bis heute nicht die Namen derer genannt hat, die 1989 die DDR an ihn gespendet haben. Das klingt absurd, und mancher im Osten sagt sich vielleicht: Ja, wir sind verschenkt worden. Der tiefere Sinn der Pointe aber ist ein anderer.

Welcher denn?

Es gab einen CDU – Parteitag in Bremen im September 1989, auf dem Kohl gestürzt werden sollte von Geißler, Späth, Süssmuth und Biedenkopf. Zur gleichen Zeit geschah es, dass Ungarn seine Grenzen zum Westen öffnen wollte, was bekanntlich der Beginn des Umsturzes des gesamten Systems im Osten werden sollte. Kohl nun machte sich das Wissen darum zunutze, kungelte mit der ungarischen Führung und bat, diese Nachricht nicht vorzeitig bekannt zu geben, sondern er bat darum, dass er, Kohl, dies bekannt geben dürfe auf seinem Parteitag. Ungarn willigte ein. Die Nachricht überstrahlte alle anderen Misslichkeiten der CDU, wurde Kohl gutgeschrieben, er war der Sieger des Tages und durfte noch neun Jahre weiterwursteln. Das ist der reale Hintergrund der Pointe. Und das ist gar nicht mehr komisch. Das heißt, man lacht eigentlich nur, wenn man das alles nicht weiß ... Das war ein Witz! Ich wollte nur an den Anfang des Gespräches über Wissen und Unwissen anschließen.

Diesen Hintergrund kennen doch nur wenige – und selbst die werden nicht sofort daran denken, während sie Ihnen zuhören.

Das stimmt, aber es ist ebendiese doppelte Ebene, die den Abend vom Geplänkel abhebt.

Braucht es wirklich eine solche zweite Ebene? Seine Lacher bekommt ein Kabarettist doch schon, wenn er Helmut Kohl halbwegs gut nachmacht.

Es geht mir ja nicht nur um Lacher. Das hehre Ziel ist mehr als nur zu unterhalten.



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