Wer wagt, beginnt. Die Politik und ich by Robert Habeck

Wer wagt, beginnt. Die Politik und ich by Robert Habeck

Autor:Robert Habeck [Habeck, Robert]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783462316094
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG


Noch beim Schreiben dieser Seiten fühle ich die Erlösung des Wahlkampfabends. Aber deshalb erzähle ich diese Geschichte meines Wahlkampfs nicht, sondern weil sie einige Sachverhalte deutlich macht. Objektive Niederlagen – immerhin holten wir fünf Prozent weniger, als wir beim Start des Wahlkampfes in den Umfragen hatten – sind manchmal politische Siege. Offenbar ist Politik relativ. Langfristige Strategie und umfängliche Taktik sind wichtig, aber in den wirklich engen Momenten hängt alles vom Augenblick ab. Und Bewährungsproben sind nicht planbar. Mit hoher Geschwindigkeit müssen Entscheidungen getroffen werden. Instinkt und Gespür bestimmen sie mindestens ebenso. Also sind diese Entscheidungen letztlich von der Person, dem Menschen, abhängig.

Im Laufe des Wahlabends sanken unsere Prozente noch ein wenig ab. Am Ende stand eine Koalition mit der SPD und der Partei der dänischen Minderheit, SSW, die eine Einstimmenmehrheit im Parlament hat. Das letzte Mandat zur Sicherung dieser Mehrheit ging an die Grünen – mit einem Vorsprung von 3000 Stimmen. Bei aller Vielschichtigkeit, die Politik ausmacht, bei allem Hin und Her des Wahlkampfes, bei Strategie und Taktik und der Frage, ob am Wahlsonntag die Sonne scheint oder nicht und ob Menschen deshalb eher zur Wahl gehen oder gerade nicht – 3000 Stimmen sind nicht viel. Faktisch sind meiner Partei unter meiner Spitzenkandidatur ca. 5%, also Zehntausende von Stimmen, verloren gegangen. Aber für mich sind diese 3000 Stimmen das, was den Sinn von Demokratie ausmacht. Was den Einsatz und die Enttäuschungen aufwiegt.

Vieles, was ich hier beschreibe, klingt wahrscheinlich, als sei Politik rau und hart und oft enttäuschend. Aber dieses Wahlergebnis und alle knappen davor oder danach sind sinnstiftend. Und davon gibt es gar nicht so wenige. 2002 konnte Gerhard Schröder Bundeskanzler bleiben, weil die SPD 6000 Zweitstimmen mehr erhielt als die Union – bei 61,4 Millionen Wahlberechtigten. Rot-rot-grün in Thüringen hat ebenfalls nur eine Einstimmenmehrheit, genauso wie die Parlamentsmehrheit in Niedersachsen. Die Ausgänge der Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt 2016 entsprachen einem Wimpernschlagfinish. Ein knappes Wahlergebnis machte George W. Bush im Jahr 2000 zum amerikanischen Präsidenten. Er wurde tatsächlich sogar von weniger Menschen gewählt als sein Konkurrent, der Demokrat Al Gore. Nur aufgrund des komplizierten Wahlrechtes konnte Bush das Amt erringen. Die Welt wäre sicher eine andere – und in diesem Fall vermutlich eine bessere –, hätte Al Gore den Hauch von Stimmen mehr bekommen, der ihn zum Präsidenten gemacht hätte. Und Alexander Van der Bellen wurde nur durch einen Vorsprung bei den Briefwählern im Mai 2016 österreichischer Bundespräsident.

Knappe Entscheidungen zeigen den Wert der einzelnen Stimme. Sie kann den Unterschied ausmachen. Wahlergebnisse werden immer von den Spitzenkandidaten verantwortet, aber gerade die knappen Ergebnisse sind eine Motivation, sich den Wahlen zu stellen. Denn auch der Wahlsieg geht mit Menschen nach Hause.



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