Von Menschen und Ratten. Die berühmten Experimente der Psychologie by Lauren Slater

Von Menschen und Ratten. Die berühmten Experimente der Psychologie by Lauren Slater

Autor:Lauren Slater [Slater, Lauren]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sachbuch
ISBN: 978-3-407-22569-6
Herausgeber: Beltz Verlag
veröffentlicht: 2015-10-16T16:00:00+00:00


7. Kapitel

Ein Park für Ratten

Das radikale Suchtexperiment

In den 1960er- und 1970er-Jahren untersuchten Wissenschaftler das Wesen der Sucht. Anhand von Tiermodellen versuchten sie Sucht, Gewöhnung und Entzug zu erzeugen und zu messen. Zu den eher bizarren Experimenten gehörte es, dass einem Elefanten mit einem Betäubungsgewehrs LSD injiziert wurde oder Barbiturate über einen Katheter direkt in die Mägen von Katzen gepumpt wurden. Allein mit Kokain werden derzeit jährlich noch über fünfhundert Experimente durchgeführt, manche an Affen, die festgeschnallt werden, andere an Ratten, deren Nervensystem dem unseren so ähnlich ist, dass sie sich als Studienobjekte für die Suchtforschung ausgesprochen gut eignen. Fast alle Suchtexperimente mit Tieren haben zu dem Ergebnis geführt, dass man manchen Substanzen nicht widerstehen kann. Der Beweis war die Tatsache, dass die Tiere sich die Neurotoxine freiwillig bis zum Tod gaben. Doch 1981 wurde diese zentrale Prämisse, wie sie in klassischen Tierexperimenten belegt worden war, von Bruce Alexander und seinen Mitforschern Robert Coambs und Patricia Hadaway in Frage gestellt. Ihre Hypothese lautete: Wenn man einen Affen tagelang auf einem Stuhl festschnallt und ihm einen Knopf an die Hand gibt, mit dem er sich Erleichterung verschaffen kann, sagt dies nichts über die Macht von Drogen, aber sehr viel über die Macht von Zwängen aus – sozialer, physischer und psychologischer Art. Also kamen sie auf die Idee, Tiere in einer für sie wirklich angenehmen Umgebung zu testen und herauszufinden, ob sie immer noch unausweichlich in der Sucht landen würden. Wenn ja, dann wurden die Drogen mit Recht dämonisiert. Wenn nicht, dann – so dachten die Forscher, wäre das Problem weniger chemischer als kultureller Natur.

Ich kenne eine Drogenabhängige. Sie heißt Emma. Sie ist dreiundsechzig und Dekanin der naturwissenschaftlichen Fakultät an einem kleinen College in Neuengland. Auch wenn sie nicht in ihrem Büro ist, legt sie Wert auf modische Kleidung, heute trägt sie Leinenhosen mit einem weinroten Schultertuch. Ein paar Monate zuvor hatte sie Probleme mit ihrem Rücken bekommen. Die Wirbel, die eigentlich wie Legosteine ineinander sitzen müssen, begannen sich zu lösen und zu verrutschen. Um das Problem zu lindern, ließ sie sich operieren und erwachte aus ihrer Narkose mit einer chirurgischen Naht und einem braunen Glas OxyContin. Diese Tabletten erlösen sie von den Schmerzen.

Opium, das in alten Zeiten auch Heiliger Anker des Lebens, Pflanze des Glücks oder Milch aus dem Paradies genannt wurde, galt den Ärzten im klassischen Griechenland als Heilmittel gegen »chronischen Kopfschmerz, Epilepsie, Apoplexie, Atemnot, Koliken, Fliedervergiftung, Verhärtung der Milz, Frauenbeschwerden, Melancholie und alle Formen der Pest«. Opium, diese merkwürdige Substanz, wird von langstieligen Mohnpflanzen geerntet, deren hodenförmige Hülsen voller Samen stecken; im England des 19. Jahrhunderts pflegten stillende Frauen die Mohnsamen aufzubrühen, den Tee zu trinken und ihre Säuglinge damit zu beruhigen. Opium, wahrscheinlich eine Art Vorläufer von Ritalin, war das erste seelische Prozesse beeinflussende Mittel, das in den neblig-verrauchten Straßen Londons als »Kindertraum« und »Mrs Winslows Beruhigungssirup« vertrieben wurde.

Doch Emma Lowry sieht die Droge anders. Die Operation hat ihre Rückenkrankheit beseitigt und ihr zugleich »eine schreckliche Abhängigkeit beschert. Ich habe nie viel über Drogen nachgedacht, sie haben mich nie



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