Unsterblich by Lubbadeh Jens

Unsterblich by Lubbadeh Jens

Autor:Lubbadeh, Jens [Lubbadeh, Jens]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-Heyne TB
veröffentlicht: 2016-05-24T05:05:15+00:00


Die Minuten verrannen. Eva hatte sich auf den Marsboden gesetzt. Kari lief vor ihr auf und ab. Reubens Avatar stand neben ihnen wie eine Salzsäule. Der Hacker hatte ihn verlassen. Kari versuchte sich vorzustellen, was Mars nun in der Realität tat. Vielleicht amüsierte er sich soeben köstlich dabei, sie in der VR zu beobachten. Vielleicht stieg er aber auch genau in diesem Moment in ein Flugzeug nach Berlin. Kari zweifelte nicht daran, dass jemand wie Reuben Mars über Mittel und Wege verfügte, den Standort ihrer Körper aufzuspüren. Vielleicht stand er schon bald vor ihren beiden reglosen Körpern auf der Couch im Wohnzimmer und blies seinen Atem in ihre Gesichter, in der Hand ein großes Messer, mit dem er ihre Hälse aufschlitzen würde. Oder besser: erst ihre Handgelenke, wie er es bei Frédéric Valot getan hatte. Um ihre Lebenstracker herauszuschneiden – beziehungsweise Karis, da Eva ja keinen besaß. Danach würde langsam das Blut aus ihren Körpern fließen. Und schließlich auch aus ihren Avataren – zumindest solange ihre biologischen Körper lebten.

Das jedenfalls war, was Kari sich vorstellte. Er hatte keine Ahnung, ob es möglich war, jemanden während einer Avatar-Session umzubringen. Er hatte noch nie davon gehört, dass jemand in der VR eingeschlossen war. Würden die Überlebensreflexe nicht so stark sein, dass sie die NeurImplant-induzierte Illusion im Gehirn stoppten? Er war kein Experte. Er konnte nur wild spekulieren. Aber das brachte sie jetzt auch nicht weiter.

Sie waren Mars in die Falle gegangen. Kari verfluchte sich, dass er dem Rendezvous so leichtfertig zugestimmt hatte.

Eva saß still im Schneidersitz auf dem Boden und starrte vor sich hin.

»Ben«, sagte sie.

»Was?«

»Könntest du mit diesem Herumrennen aufhören? Das macht mich wahnsinnig.«

Er lief weiter.

»Ben!«

Kari blieb stehen. Er war wütend. Er hasste diese Hilflosigkeit, dieses Ausgeliefertsein. Aber er entschloss sich, ihr nichts von seinen Befürchtungen zu erzählen. Was brächte es, sie auch noch zu beunruhigen?

Im Moment konnten sie ohnehin nichts unternehmen. Er seufzte und setzte sich neben sie. Dann legte er sich hin, verschränkte die Arme unter dem Kopf und blickte in den lachsfarbenen Marshimmel.

Sie sah ihn an und schüttelte den Kopf. »Du siehst aus, als würdest du es dir an einem Swimmingpool gemütlich machen.«

Er trieb die Posse weiter und legte das rechte Bein auf dem linken ab, als würde er sich entspannen und nicht gerade aus Teilen seines Gehirns und der Realität ausgesperrt sein.

Sie lachte. Er beneidete sie darum, dass sie unter diesen Umständen so locker bleiben konnte.

»Ben?«

»Ja?«

»Kann ich dich was fragen?«

»Nur zu.«

»Warum bist du eigentlich Versicherungsagent geworden?«

Er musste lachen, weil sie seine Frage von gestern Abend spiegelte.

»Das passt irgendwie nicht zu dir.«

Er überlegte, während er die feinen Marswolken beobachtete.

»Habe ich mich ehrlich gesagt auch schon oft gefragt, wie das alles kam.«

»Na, das klingt ja sehr überzeugt.«

»Mich faszinieren die Leben der Menschen, die ich zertifiziere. Jede Akte ist wie ein Buch.«

»Aha.«

»Da ist die Kindergärtnerin Mrs. Bramfield, die früh verstorben ist, mit nur vierunddreißig Jahren. Sie arbeitet weiter. Ihre zwei Jungen und ihr Mann sind heilfroh, dass sie immortalisiert ist. Gut, sie haben eine Paartherapie begonnen, bei einem Psychologen, der



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.