Timur Novellen by Kasimir Edschmid

Timur  Novellen by Kasimir Edschmid

Autor:Kasimir Edschmid [Edschmid, Kasimir]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-05-12T16:00:00+00:00


Eines Tages aber beendete er diese Art mit ihnen zu sein. Er zwang ihnen seinen Willen auf, daß sie aufstoben, sich in die strahlende Höhe warfen und verschwanden. Sie wußten ihr Ziel.

Jeden Monat einmal schob er Papier in ihre Federn, auf dem Verse standen. Doch schämte er sich dann ein jedesmal. Einmal aber hielt seine erstarrende Hand, die die Heimkehrenden aufnahm, beim Einfangen eine Blume fest.

Da nahm er das Höchste, was ihm blieb vom Leben, er trennte sich davon. Er löste von seiner Brust die Schnalle des Goldenen Vlieses und band es der Taube um. Heimkehrend die gleiche Nacht trug das Tier, flatternd vor eisiger Kälte, einen Ring aus Haaren geflochten, über die Flügelenden gestreift.

Aber die weiße Farbe der Haare schlug ihn nieder, daß er nie mehr wagte, Dinge hinüberzusenden. Und was gab es noch, das die Unendlichkeit dieses Gefühls überträfe.

Nach einem Jahr gab ihm der Abt Auftrag, hinüberzugehn und mit der Priorin zu verhandeln um eine Orgel. „Es ist dein Fach,“ sagte er und wandte sich zu den Papieren um. Villon weigerte sich. Er schüttelte den Kopf.

„Ich will nicht.“

Da drehte sich der Abt zurück und sagte klar: „Du sollst.“

Als der Klang dieser Worte sich erhob, scholl eine Stärke darin, die dröhnte, daß Villon nachgebend sich beugte und ging.

Am Gitter traf er die Priorin. Gesenkten Blickes richtete er den Befehl aus und sagte ihn her ohne Stocken. Sie antwortete nicht. Sie hielt mit einer Hand sich in der Höhe der Achsel am Gitter und sah ihn an. Er lehnte auf der anderen Seite gegen das Eisen. Dann hob er den Blick und traf ihr Auge.

Als dies eintrat, verwirrte sich sein Mund. Dunkel bog sich um seine Stirn und klammerte sie zu. Er wollte danken, daß sie Güte über sein Leben getan, aber ihm schienen unbegreiflich seine Lippen zu beben vor Flüchen. Doch aus der Seligkeit, die ihn erschütterte und hinstieß, daß das Eisen knirschte unter seiner Schulter, hob sich durch die Verwirrung der Gefühle ein Augenblick der Jugend. Und er sagte:

„Als Kind, wie ich Psalter sang . . .“

Sie wartete noch eine Weile, freundlich lächelnd. Sein Mund jedoch trug den Fluß der Gefühle, der riefenhaft anschwoll, nicht mehr. Er stammelte in die Luft.

Fern sah er sie noch einmal durch den Hof gehn. Sie wandte am Tor das Gesicht und wies leicht, ohne den Arm zu rühren, mit dem Finger nach oben.

Er wußte, daß er sie nie mehr sehen werde. Es war das Letzte.

Die Tauben allein flogen noch, bis ihr, als sie betete, ein schwerer Stein aus dem Gebälk im späten Sommer den Nacken zerschlug. Zehn Nonnen, steif in weißen Leinen, trugen ihren Sarg in die große Kirche des Männerklosters. Als die Prozession vorbeiging, losch der Himmel aus. Dunkelheit schoß an den Rändern des Horizonts herunter, band sich zäh an die Erde und trieb Nacht und Wolke vor sich, die brüllend heranwälzten.

Dann schloß die Kirchentür. Villon erhob an seinem Fenster den Kopf und sah die Sonne in einem Strahlenkranz, dessen Zacken alles berührten. Es wurde Abend!

Er ging hinein ins Land. Je



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