Erwin Strittmatter - die Biographie by Aufbau

Erwin Strittmatter - die Biographie by Aufbau

Autor:Aufbau
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau
veröffentlicht: 2012-10-14T16:00:00+00:00


BRECHT UND DAS BAUERNSTÜCK

Nach dem Ende der Arbeitstagung junger Autoren in Berlin, auf der er sich bei Alfred Kantorowicz für dessen Rezension bedankt hatte, fuhr Erwin Strittmatter am 20. April 1951 gleich weiter nach Altranft in den Oderbruch. Er gehörte einer Künstlergruppe an, die den Auftrag hatte, zusammen mit der dörflichen Laienspieltruppe Ideen zu entwickeln für das Brandenburger Agitprop-Programm anlässlich der III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten im August 1951 in Berlin. Mitglieder der Gruppe waren Irma Harder und Jochen Preißler von der Potsdamer Arbeitsgemeinschaft »Junge Autoren«, der Komponist Alexander Ott, die Malerin Ilse Stams-Nischke, die Tänzerin Johanna Philipicek, Richard Rabenalt von der Landesleitung der Deutschen Volksbühne, Fritz Möller vom Landesvorstand / Abteilung Kultur der DSF326.

Bereits am ersten Abend ihres Aufenthalts kam Strittmatter die Idee, »statt den in Mode gekommenen amerikanischen Tänzen einen neuen Tanz mit Arbeitsbewegungen aus dem Bauernleben [zu] schaffen«327. Es gelang ihm, einige Mitglieder der Gruppe dafür zu gewinnen, allerdings nicht die mitgereiste Tänzerin, die offenbar, wie er notiert, nicht so recht verstehen wollte, worum es ihm ging. Noch in der Nacht schrieb er einen Text für den Tanz, und Alexander Ott, mit dem er sich vom ersten Moment an gut verstand, komponierte die Melodie dazu. Seine Schilderung, wie er voll ernstem Eifer erst seine Kollegen und dann die Dorfbewohner dazu bringt, sich im Takt der Musik zu bücken und die Arme zu schwingen und dabei die Zeilen: »gräbt sich dumm und krumm / bückt sich, biegt sich / bückt sich, biegt sich / bückt sich dumm und krumm« zu singen, enthält einige unfreiwillige Komik. Aber er hatte Erfolg mit seiner Idee. Anfang Mai, beim nächsten Vorbereitungstreffen der Festivalgruppe, erhielt er den Auftrag, ein kurzes Laienspiel »über den Anbauplan« zu verfassen, außerdem ein Lied der Traktoristen über das Putzen und Abschmieren ihrer Traktoren, und das Gedicht »eines rückständigen Bauern, der einsieht, dass er bisher verkehrt handelte«328. Bis zum 20. Mai sollte alles fertig sein.

Strittmatters Sketch, der von unredlichen Geschäften zwischen Klein- und Mittelbauern eines Dorfes handelte, kam während des Jugendfestivals dann doch nicht zur Aufführung, die Jury lehnte ihn wegen Überlänge ab.329 Danach aber arbeitete Erwin Strittmatter offenbar weiter an dem Dialog und war dabei, ihn zu einem Stück auszuarbeiten. Nachdem er einen Artikel über die »Trawopolnaja-Methode« in der sowjetischen Landwirtschaft gelesen hatte, beschäftigte er sich mit der Lyssenko-Diskussion an der Moskauer Lenin-Akademie. »Ich brannte darauf«, schreibt er, »in meinem Bauernstück etwas für unsere Landwirtschaft Neues hineinzuarbeiten.«330 Trofim Denissowitsch Lyssenko war zur Stalinzeit der führende Biologe der UdSSR, der die Existenz von Genen leugnete und die Meinung vertrat, dass erworbene (anerzogene) Eigenschaften sich vererben würden. Seine Irrlehre, die in der Vision von melonengroßen Tomaten und apfelgroßen Erdbeeren gipfelte (so habe ich es im Biologieunterricht noch gelernt), faszinierte damals viele Menschen, die darin die Überlegenheit und Omnipotenz der kommunistischen Gesellschaftsordnung verkörpert sehen wollten. Bertolt Brecht schrieb dazu das Lehrgedicht »Die Erziehung der Hirse«, dessen Lob auf den »großen Ernteleiter Stalin« man heute nur noch mit Grausen lesen kann.331

Der Schriftsteller Hans Marchwitza, einer von Strittmatters frühen Förderern, machte Bertolt Brecht und Helene Weigel auf das Stück »Die Straße von Katzgraben« aufmerksam.



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