Theologie des Neuen Testaments by Lukas Bormann;

Theologie des Neuen Testaments by Lukas Bormann;

Autor:Lukas Bormann;
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Die Theologie des Neuen Testaments hat die Aufgabe, die Gedanken, Begriffe und Überzeugungen, die in den neutestamentlichen Schriften zum Ausdruck kommen, in ihrem sachlichen und historischen Zusammenhang darzustellen. Im 21. Jahrhundert hat ein solches Vorhaben eine Vielfalt von Fragestellungen und Forschungsperspektiven zu berücksichtigen. Lukas Bormann arbeitet die Grundlinien der Theologie des Neuen Testaments heraus und stellt die wichtigsten Ergebnisse ihrer internationalen Erforschung dar. Er bezieht dabei sowohl theologische wie religions- und kulturwissenschaftliche Untersuchungen ein.
ISBN: 9783846348383
Herausgeber: UTB GmbH
veröffentlicht: 2017-09-07T00:00:00+00:00


Ähnliche Aussagen finden sich im Verhältnis von Tyrus und Sidon zu den galiläischen Städten Chorazin, Bethsaida und besonders polemisch zu Kapernaum (10,13–15). „Diese Generation“ wird den Niniviten untergeordnet, die sich durch die Gerichtsankündigung zur Umkehr entschlossen haben (11,29–32).

„Diese Generation“ wird für die unschuldig getöteten Boten Gottes die Verantwortung übernehmen müssen (11,49–51). Aus dem endzeitlichen Mahl mit den Erzvätern werden sie aber ausgeschlossen und dem Strafgericht überantwortet werden (13,28 f.). Dieser Gerichtstag wird überraschend und vernichtend wie die Sintflut über die große Mehrheit der Menschen kommen (17,26–30).

In der Forschung wird bisweilen aus diesen rhetorischen Gerichtstexten auf eine sogenannte Heilsumkehr zwischen Judentum und Heidentum und auf die Trennung von Israel geschlossen.18 Tatsächlich werden aus jüdischer Perspektive symbolische Orte der nichtjüdischen Welt mit einer umfassenden biblischen Interpretationsgeschichte, wie Ninive, Tyrus und Sidon, ausgewählt, die in scheinbar überraschender Umkehrung der Erwartung als Gerechtfertigte oder sogar als Richter in der Endzeit auftreten werden.19 Alle genannten Orte sind bereits in der prophetischen Überlieferung Gegenstand von komplexen Heils- und Unheilsaussagen (Jes 23,1–18; Jer 25,22; Ez 26–28; Joel 4,4; Jona 1,2; 3,1–4,11), sodass sich ihre Wahl als eine rhetorisch und theologisch paradoxe Anknüpfung an biblisch geschulte Hörererwartungen erklärt.

Ihnen stehen aber keine gleichfalls bedeutsamen symbolischen Orte des Judentums wie Jerusalem, der Tempel, Mamre, Hebron, Bethlehem oder der Sinai gegenüber, sondern die heilsgeschichtlich unbedeutenden Städte Chorazin, Bethsaida und Kapernaum. Nur in Q 13,35 wird davon gesprochen, dass der Tempel für einige Zeit ungenutzt bleiben wird. Die identitätsstiftenden Orte, Personen und Traditionen des Judentums bleiben insgesamt unangetastet. Daraus ist zu schließen, dass man diese Aussagen als rhetorische Tropen mit einer textpragmatischen Ausrichtung auf konkrete Gruppen innerhalb der jüdischen Adressatengruppe, die „diese Generation“ genannt wird, zu werten hat.20 Nähere Konkretisierungen für diese Gruppierungen könnten die Repräsentanten der genannten galiläisch-jüdischen Städte sein, explizit werden auch Pharisäer und Schriftgelehrte genannt (Q 11,39–48). Die scharfe Polemik gegen diese jüdischen Gruppierungen ist abzuwägen gegenüber der grundlegenden Ablehnung, die Nichtjuden erfahren. In 12,30 werden das materielle Bestreben der nichtjüdischen Nationen oder in 6,34 die ungenügende Ethik der Nichtjuden als negative Beispiele vorgestellt, von denen sich die Adressaten der Logienquelle abzugrenzen haben.

Die Logienquelle bewegt sich mit der Unterscheidung zwischen einer Gruppierung, die den Willen Gottes vorbildlich für das Judentum erfüllt, und einer Mehrheit des Judentums, die dies versäumt, innerhalb der Kriterien für eine religiöse Sondergruppe des Judentums dieser Zeit.21 Neben der Inanspruchnahme der deuteronomistischen Geschichtstheologie für das Ergehen der eigenen Gruppierung stellt die Identifikation Jesu mit dem „Kommenden“, genauer dem „kommenden Menschensohn“ eine bedeutende theologische Leistung der Logienquelle dar. Die Bezeichnung „Menschensohn“ ruft keinen festen Vorstellungszusammenhang oder gar bestimmte titulare Assoziationen auf.22 Sie markiert vielmehr, dass die so benannte Figur einer näheren Identifikation bedarf, die sich erst aus dem Kontext der Verwendung der Bezeichnung ergibt.23

Welche Handlungen und Aussagen werden in der Logienquelle mit dem „Menschensohn“ verknüpft? Der Menschensohn ist zunächst Jesus, der in seine beschwerliche Nachfolge ruft (9,58). Die Menschen, die dann „um des Menschensohns willen“ geschmäht und verfolgt werden, sind selig zu preisen, d. h. sie handeln in vollkommener Übereinstimmung mit dem Willen Gottes (6,22). Sich zum



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