Stoppt die Kompetenzkatastrophe! by John Erpenbeck & Werner Sauter

Stoppt die Kompetenzkatastrophe! by John Erpenbeck & Werner Sauter

Autor:John Erpenbeck & Werner Sauter
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783662596777
Herausgeber: Springer Berlin Heidelberg


5.5 Kompetenzentwicklung in der beruflichen und betrieblichen Bildung

Aktuell herrschen große Unterschiede, was die Bedeutung der beruflichen und betrieblichen Bildung in den einzelnen Unternehmen betrifft. In großen Unternehmen gibt es eigene Bildungsabteilungen, die für das Thema Lernen im Unternehmen eine Vielzahl von modernen Medien, Methoden und Formaten etablieren und entwickeln. In kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) fehlt häufig das Verständnis für strategieorientiertes Lernen. Es mangelt häufig an Entwicklungsplänen, Bildungsangeboten und Lernräumen. Gelernt wird vorrangig in Arbeitsprozessen, ohne eine bewusste Steuerung und Reflexion der Lernprozesse.37

Die Unternehmensstrategien verändern sich mit wachsender Geschwindigkeit; kleine, autonome Teams, die cross-funktional besetzt sind, agieren in kurz getakteten Zyklen und in permanenter Abstimmung mit Kunden oder Lieferanten, also agil. Dies hat fundamentale Konsequenzen für die Mitarbeiterentwicklung. Unternehmen benötigen Mitarbeiter, die auch zukünftige Herausforderungen in zunehmend digitalisierten Arbeitsprozessen im Rahmen selbstorganisierter, eigenverantwortlich handelnder Teams kompetent und kreativ lösen können. Dabei besitzen sie den Freiraum, innerhalb vereinbarter Regeln zu üben und zu experimentieren und ihr Erfahrungswissen in Netzwerken weiterzuentwickeln.

Die bisherige Trennung in eine berufliche Aus- und Weiterbildung, die eine theoretische, meist zertifizierte Basis für Tätigkeiten in der Praxis bilden soll, und dem Lernen im Betrieb sehen wir als überholt an. Der Aufbau von Fachwissen und die Qualifizierung kann in kompetenzorientierten Lernarrangements nicht mehr von der Kompetenzentwicklung in Projekten oder in der Praxis getrennt werden. Deshalb werden überbetriebliche Bildungsanbieter zunehmend Praxisprojekte oder Anwendungen im Prozess der Arbeit in ihre Lernarrangements integrieren müssen. Auf der anderen Seite werden die Unternehmen den Schwerpunkt immer mehr auf die bedarfsorientierte, modularisierte Bereitstellung von Fachwissen und den gezielten Aufbau von Qualifikationen als notwendige Voraussetzung für Kompetenzentwicklungsmaßnahmen legen. Vorratslernen wird durch Lernen bei Bedarf, „on demand“, ersetzt.

Grundlegende Überlegungen für eine Umgestaltung beruflicher und betrieblicher Lernsysteme und die Verhinderung der Kompetenzkatastrophe in diesem Bereich umfassen verschiedene Elemente der Kompetenzentwicklung. Die konzeptionelle Grundlage bildet die Ermöglichungsdidaktik. Das Ziel ist, selbstorganisierte Lernprozesse mit Lernpartnern, im Team und im Netz in Verbindung mit Coaching und Co-Coaching, dem kompetenzorientierten, kollaborativen Lernen mit Tandempartnern, zu initiieren. Dafür wird ein Arbeits- und Lernraum für die Zusammenarbeit, eine Soziale Lernplattform, benötigt, in der die Lerner Problemlösungen allein, im Team und im Netz mit Unterstützung eines Lernbegleiters entwickeln und damit ihre Kompetenzen aufbauen. In Communities of Practice wird das Erfahrungswissen ausgetauscht und gemeinsam weiterentwickelt. Eine wichtige Rolle spielen hierbei persönliche Lerntagebücher, meist als Blog gestaltet, in denen die Lerner ihren Lernprozess reflektieren und mit den Lernpartnern diskutieren. Mit Wikis oder Workpads können im Netz Problemlösungen kollaborativ, das heißt gemeinsam, entwickelt werden, auch wenn die Arbeits- bzw. Lerngruppe über die ganze Welt verstreut ist.

In diesem Kontext eröffnen sich für Anbieter von beruflichen Fernstudiengängen neue Möglichkeiten, sofern sie ihre Lernarrangements radikal verändern.38 Nicht mehr Bulimielernen auf Basis von theorielastigen Studienbriefen, sondern Lernarrangements, die es den Teilnehmern ermöglichen, eigene Praxisprojekte in eine Lerngemeinschaft einzubringen, die in kollaborativen Lernprozessen innerhalb eines attraktiven Lernrahmens gemeinsam Lösungen entwickelt. Damit könnten Fernstudienanbieter zu effizienten Partnern in der betrieblichen Kompetenzentwicklung werden.

Die Lerner im betrieblichen Umfeld sind bisher überwiegend fremdorganisierte Lernarrangements gewohnt. Deshalb bietet es sich an, selbstorganisierte Lernformen schrittweise einzuführen, sodass sich die Mitarbeiter und ihre Lernkultur nach und nach an diese neue Lernwelt gewöhnen können.



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