Schnee, der auf Zedern fällt. Roman by David Guterson

Schnee, der auf Zedern fällt. Roman by David Guterson

Autor:David Guterson [Guterson, David]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783455811155
Herausgeber: Hoffmann und Campe Verlag
veröffentlicht: 2013-09-05T00:00:00+00:00


16

Ishmael Chambers wurde mit sieben hundertfünfzig anderen Rekruten im Spätsommer 1942 in Fort Benning, Georgia, zum Marinesoldaten ausgebildet. Im Oktober bekam er Fieber und Durchfall und lag elf Tage im Lazarett; in dieser Zeit verlor er ziemlich viel Gewicht, las die Zeitungen von Atlanta und spielte mit seinen Zimmergenossen Schach. Er lag im Bett, hatte die Knie hochgezogen und die Arme hinter dem Kopf verschränkt, hörte im Radio die Berichte vom Kriegsgeschehen und studierte die Skizzen der Truppenbewegungen in den Zeitungen, zwar neugierig, aber träge und ohne sich allzu viele Gedanken zu machen. Sechs Tage lang ließ er sich einen Schnurrbart wachsen, rasierte ihn dann wieder ab und ließ ihn noch einmal wachsen. Fast jeden Nachmittag schlief er und wachte gerade rechtzeitig auf, um den Einbruch der Dunkelheit mitzuerleben und zu beobachten, wie das Licht im Fenster drei Betten weiter rechts verblaßte. Andere Soldaten kamen und gingen, aber er blieb. Auch Verwundete wurden ins Lazarett gebracht, wurden aber in zwei Stockwerken gepflegt, zu denen er keinen Zutritt hatte. Er trug Tag und Nacht immer nur T-Shirt und Unterhose, und die Luft, die durchs offene Fenster hereinwehte, roch nach welken Blättern, regennassen Straßen und umgepflügten Feldern, und allmählich kam es ihm seltsam passend vor, daß er so weit weg von zu Hause so allein und krank dalag. Denn endlich hatte er nun genau das Leiden, nach dem er sich fünf Monate lang gesehnt hatte – seit Hatsues Brief angekommen war. Es war ein leichtes, ermüdendes, zähes Fieber, und wenn er sich nicht zu viel bewegte und sich nicht unnötig anstrengte, konnte er beliebig lange so weiterleben. Er ließ sich von seiner Krankheit einhüllen und richtete sich in ihr ein.

Im Oktober machte er eine zweite Ausbildung mit, diesmal zum Funker. Er wurde auf die Nordinsel von Neuseeland zur Zweiten Division der Marines versetzt. Man teilte ihn der B-Kompanie im Zweiten Marineregiment, Drittes Bataillon, zu, und es dauerte nicht lange, bis er Männern begegnete, die auf Guadalcanal gewesen waren; er ersetzte einen Funker, der bei den Kämpfen um die Salomon-Inseln gefallen war. Eines Nachts erzählte ein Leutnant namens Jim Kent davon, daß Ishmaels Vorgänger sich für einen toten jungen Japaner interessiert hatte, dem die Hosen mit der Innenseite nach außen um die schlammverkrusteten Knöchel hingen. Der Funker, ein Gefreiter namens Gerald Willis, hatte den Penis des Jungen hochgestellt, indem er einen Stein als Stütze darunter packte, hatte sich dann bäuchlings auf die Erde gelegt und so lange auf den Penis des Japaners geschossen, bis er ihn traf. Hinterher war er ganz stolz auf sich gewesen und hatte mindestens eine halbe Stunde lang mit seiner Zielsicherheit angegeben und den anderen genau beschrieben, wie der Penis mit abgeschossener Eichel ausgesehen hatte und wie die Eichel ausgesehen hatte, die ein Stück weiter auf dem Boden lag. Der Gefreite Willis war zwei Tage danach auf einer Patrouille tödlich getroffen worden, durch Granatfeuer aus den eigenen Reihen, das er auf Leutnant Kents Befehl angefordert hatte. Kent hatte die korrekten Koordinaten angegeben. Sieben Männer des Zuges waren dabei gefallen.



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