Schicht im Schacht by Jörg Sator & Axel Spilcker

Schicht im Schacht by Jörg Sator & Axel Spilcker

Autor:Jörg Sator & Axel Spilcker
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Gesellschaft, Deutschland, Ruhrgebiet, soziale Konflikte, Verarmung, Tafel, kommunale Schuldenlasten, Segregation, Fremdenfeindlichkeit, Sozialbetrug, Wutbürgertum, Journalismus, Essen
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2019-09-09T00:00:00+00:00


Kapitel 7

Von arabischen Clans, der Flüchtlingswelle und EU-Zuwanderern vom Balkan

Rathaus Essen, 14. Etage. Hier arbeitet ein guter alter Bekannter und Förderer der Essener Tafel: Peter Renzel, Sozialdezernent. Wenn einer die Problemlagen der viertgrößten Stadt in NRW kennt, dann der CDU-Politiker. Renzel ist jemand, der genau hinschaut, einer, der auch mal gerne querdenkt.

Essener durch und durch, weiß der Christdemokrat, wovon er spricht. Davon zeugt nicht nur allein sein ausgeprägter Ruhr-Dialekt. Da sind wir uns gleich. Vielmehr gilt Renzel als ausgewiesener Experte, wenn es darum geht, einen ehrlichen Blick auf das fragile Sozialgefüge in meiner Heimatstadt zu wagen.

Im Februar 2019 erst wartete der Sozialdezernent mit einer konträren Position zur bundespolitischen Debatte um Bürgergeld, Grundeinkommen und die Lockerung der Hartz-IV-Sanktionen auf. Erneut brachte der streitbare Beigeordnete einen alten Vorschlag der Union ins Spiel: Renzel plädierte dafür, die Hartz-IV-Bezüge mit Arbeitsaufgaben zu verbinden. Soll heißen: Erwerbsfähige Leistungsbezieher sollten generell nur dann die staatliche Zuwendung erhalten, wenn sie Gemeinwohlarbeit in ihrer Stadt leisten. Als erwerbsfähig gilt jemand, der mindestens drei Stunden am Tag arbeiten kann. Genau diese 180 Minuten täglich, so Renzel, sollten die Menschen für kommunale Dienste bereitstellen.

»Die Regel des Förderns und Forderns zu verlassen halte ich für einen absoluten Fehler«, monierte der Christdemokrat. »Ich finde, dass wir in der Debatte einen anderen Blick darauf brauchen.« Für diese Aussage wurde er medial regelrecht verdroschen.15 Von billiger Stimmungsmache war da die Rede, von »Zwangsarbeit«. Nur weil der Mann Dinge aussprach, die meines Erachtens auf der Hand liegen. Wenn du andauernd die soziale Hängematte auslegst, dann wundere dich nicht, dass sich nichts ändert. Angesichts der Reaktionen fühlte ich mich an Situationen erinnert, die es nach dem Bekanntwerden des zeitweiligen Aufnahmestopps für Ausländer an unserer Tafel gab.

Sicher ist es kein Zuckerschlecken, mit Hartz IV über die Runden kommen zu müssen, und gerade alleinerziehende Mütter können an diesem Schicksal schwerlich etwas ändern.

Allerdings gibt es auch viele Leistungsbezieher, die besser dastehen als all jene alten Menschen, die mit ihrer Rente knapp über dem staatlichen Satz für die Grundsicherung liegen. Die müssen alles selber bezahlen: angefangen bei ihrer Wohnung über die Krankenkasse bis hin zu den GEZ-Gebühren. Obwohl viele Betroffene entweder lange Jahre Kinder aufgezogen oder in Billigjobs malocht haben, darben sie am Ende eines arbeitsreichen Lebens unter dem Existenzminium.

Peter Renzel verfügt von seinem Büro aus über einen herrlichen Blick auf Essen. Von hier oben wirkt die Stadt wie ein pulsierendes Räderwerk, in dem ein Glied ins nächste greift. Doch wenn man Renzel reden hört, mischt sich unter die wohlfeile Optik eine differenzierte Bilanz. Ein Bild mit nur düsteren Farben lässt er für seine Heimatstadt Essen erst gar nicht zu. Essen, das wird schnell klar, entspricht gelegentlich einem Wechselbad der Gefühle, so wie es in allen Ruhrmetropolen der Fall ist. Hui oder pfui, beides gibt es, wie überall in Deutschland. Es kommt halt auch immer auf die eigene Haltung, den eigenen Standpunkt an. Nicht alles ist so schlecht, wie es aussieht oder auch gerne drüber geredet wird. Aber es ist eben auch noch nicht überall proper, wie es manchmal den Anschein hat.



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