Roßhalde by Hesse Hermann

Roßhalde by Hesse Hermann

Autor:Hesse, Hermann [Hesse, Hermann]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2015-09-08T16:00:00+00:00


Zehntes Kapitel

»Pierre ist so langweilig«, sagte Albert zu seiner Mutter, als sie miteinander in den vom Regen erfrischten Garten gingen, um Rosen zu schneiden. »Er hat sich ja die ganze Zeit nicht eben viel aus mir gemacht, aber gestern war rein gar nichts mit ihm anzufangen! Neulich, als ich davon sprach, wir wollten einmal eine Wagenfahrt zusammen machen, da war er ganz begeistert. Und gestern mochte er kaum mitgehen, ich mußte ihn fast darum bitten. Es war ja kein sehr großes Vergnügen für mich, da ich nicht beide Pferde nehmen durfte, ich ging eigentlich überhaupt nur seinetwegen.«

»War er denn unterwegs nicht artig?« fragte Frau Veraguth.

»Ach, artig war er schon, nur so langweilig! Er hat manchmal direkt etwas Blasiertes, der Junge. Was ich auch vorschlug und was ich ihm zeigte oder anbot, war ihm kaum ein Jaja oder ein Lächeln wert, er wollte nicht auf dem Bock sitzen, er wollte nicht kutschieren lernen, nicht einmal Aprikosen essen wollte er. Richtig wie ein verwöhnter Prinz. Es war ärgerlich, und ich sage es dir, weil ich ihn wirklich ein andermal nicht wieder mitnehmen möchte.«

Die Mutter blieb stehen und sah ihn prüfend an; sie mußte über seine Erregung lächeln und sah mit Befriedigung in seine funkelnden Augen.

»Großer Junge«, sagte sie begütigend, »du mußt Geduld mit ihm haben. Vielleicht war er nicht ganz wohl, er hat auch heute früh fast nichts gegessen. Das kommt bei allen Kindern zuweilen vor, bei dir war’s auch einmal so. Ein bißchen Magenkatarrh oder eine Nacht mit schlechten Träumen ist meistens schuld daran, und Pierre ist freilich etwas zart und empfindlich. Und dann, versteh, ist er vielleicht auch ein wenig eifersüchtig. Du mußt bedenken, er hat mich sonst immer ganz für sich, und jetzt bist du da, und er muß mit dir teilen.«

»Wenn ich doch Ferien habe! Das muß er doch wahrhaftig begreifen, er ist ja nicht dumm!«

»Er ist ein kleines Kind, Albert, und du mußt schon der Gescheitere sein.«

Es tropfte noch von den frisch metallen glitzernden Blättern. Sie gingen den gelben Rosen nach, die Albert besonders liebte. Er bog die Kronen der Bäumchen auseinander, und die Mutter schnitt mit der Gartenschere die Blumen ab, die noch etwas nüchtern und verregnet herabhingen.

»War ich eigentlich Pierre ähnlich, als ich in seinem Alter war?« fragte Albert nachdenklich.

Frau Adele besann sich. Sie ließ die Hand mit der Schere sinken, sah dem Sohn in die Augen und schloß dann die ihren, um sein Knabenbildnis in sich wachzurufen.

»Du warst ihm äußerlich ziemlich ähnlich, bis auf die Augen, und du warst weniger dünn und schlank, das Wachsen kam bei dir etwas später.«

»Und sonst? Ich meine innerlich?«

»Nun, Launen hast du auch gehabt, mein Junge. Aber ich glaube, du warst doch beständiger, du hast deine Spiele und Arbeiten nicht so rasch gewechselt wie Pierre. Er ist auch überschwenglicher, als du warst, er ist weniger im Gleichgewicht.« Albert nahm der Mutter die Schere aus der Hand und beugte sich suchend über einen Rosenstrauch.

»Pierre hat mehr von Papa«, sagte er leise. »Du, Mutter, das ist so merkwürdig, wie in den



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