Rechtsphilosophie by Pfordten Dietmar von der
Autor:Pfordten, Dietmar von der
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406644856
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2014-12-21T05:00:00+00:00
Das Verhältnis zwischen Moral und Recht ist ein Verhältnis zwischen zwei sozialen Tatsachen. Dieses Verhältnis kann nur extern kausal sowie intern rechtlich einbeziehend und daher zufällig sein, denn es ist nicht erkennbar, wie reale Tatsachen begrifflich notwendig verbunden sein sollten. Nur insofern besteht eine Ähnlichkeit, als beide sozialen Tatsachen ein inhaltlich vergleichbares Ziel haben. Die Moral folgt – wie sich unter II. 7, 8 ergab – demselben abstrakten Ziel der Vermittlung möglicher gegenläufiger, widerstreitender Belange wie das Recht; nur mit anderen Mitteln. Das Recht tut deshalb gut daran, bei seiner Verwirklichung eventuelle Förderungen oder Widerstände der Moral zu berücksichtigen. Darüber hinaus gibt es aber keine begriffliche Notwendigkeit, das Recht als eigenständige Normordnung inhaltlich an den spezifischen Werten und Verpflichtungen der Moral zu orientieren.
Diese Notwendigkeit kann nur eine normative Ethik liefern, also eine Ethik, die als Ideal vom Recht verlangt, sein Ziel und seine Mittel auf eine bestimmte Art und Weise zu konkretisieren, um gut bzw. gerecht zu sein. Damit ist es das zweite Verhältnis, das Verhältnis von Recht und Ethik, das für die Verbindungs- bzw. Trennungsthese des Nichtpositivismus wesentlich ist. Die Frage nach dem Verhältnis von Recht und Ethik reformuliert die Grundfrage der Rechtstheorie nach Phänomen und Begriff des Rechts mit Bezug auf das zunächst einmal begrifflich nichtrechtliche Phänomen der Ethik, also auf einer Metaebene. Deshalb handelt es sich um eine metaethische Frage, die bereits zur Rechtsethik überleitet. Die klassische Rechtsphilosophie hat die Frage selten auf einer derartigen Metaebene gestellt. Wie sich unter II. 2 ergab, hat sie vielmehr notwendige Ziele des Rechts vorausgesetzt. Und wenn diese Ziele wie bei den Zielen des Guten, der Gerechtigkeit oder des Gemeinwohls zugleich ethische Ziele waren, so war eine notwendige Verbindung implizit behauptet. Insofern muss man die unter II. 2 erwähnten Theorien von Platon, Aristoteles, Cicero und Thomas fraglos als nichtpositivistisch qualifizieren.
Mit der unter II. 3–4 dargestellten Abschwächung der notwendigen Ziele des Rechts in der Neuzeit und Moderne wird die Zuordnung einzelner Theorien zum Nichtpositivismus oder Positivismus allerdings zweifelhafter. Das von Hobbes angenommene Ziel des Einzelnen, sich selbst zu erhalten, kann nicht mehr eindeutig als ethisches Ziel angesehen werden. Gleiches gilt für Lockes Ziel der Sicherung des Eigentums. Auch das im 18. Jahrhundert propagierte Ziel der Freiheit ist per se noch kein ethisches Ziel, zumindest dann nicht, wenn die Freiheit bloß individuell als Handlungs- oder Willensfreiheit verstanden wird. Zusatzannahmen können die Freiheit aber zum ethischen Ziel werden lassen, wie dies bei Kant mit dem Verallgemeinerungsprinzip geschehen ist, oder bei Hegel, bei dem die Freiheit des Rechts objektivierend-ethisch und gemeinschaftlich verstanden wird. Im 20. Jahrhundert ist dann Radbruch – wie sich unter II. 4 ergab – wieder zur Gerechtigkeit als notwendigem Ziel des Rechts und damit zu einer nichtpositivistischen Auffassung des Rechts zurückgekehrt. Allerdings ist sein Begriff der Gerechtigkeit durch den Einbau der Zweckmäßigkeit und Rechtssicherheit inhaltlich weniger festgelegt als derjenige der antiken und mittelalterlichen Autoren.
Alle Theoretiker, welche ein spezifisches Ziel des Rechts verneinen und als kennzeichnend für das Recht nur Mittel ansehen, wie Austin, Weber, Kelsen und Hart, sind dagegen Rechtspositivisten, denn alle vorgeschlagenen Mittel wie Befehl, Zwang, Normen, Regeln und Normen- bzw.
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