Ökonomie der Ungleichheit by Piketty Thomas

Ökonomie der Ungleichheit by Piketty Thomas

Autor:Piketty, Thomas [Piketty, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Volkswirtschaft
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2016-09-08T23:00:00+00:00


Lohnungleichheit und Ungleichverteilung von Humankapital

Die einfachste Erklärung für Lohnungleichheit lautet, dass unterschiedliche Beschäftigte einen unterschiedlichen Beitrag zur Produktion eines Unternehmens leisten: Der Informatiker, der ein Programm schreibt, mit dem das Unternehmen alle Kundendateien digitalisieren und schneller auf sie zugreifen kann, bringt seinem Arbeitgeber mehr Geld ein als der Büroangestellte, der in der Folge eine bestimmte Anzahl Dateien anlegt. Darum überweist die Firma dem Informatiker, den ihr andere Firmen sonst abwerben könnten, ein höheres Gehalt. Die Theorie des Humankapitals, mit der wir es hier zu tun haben, ist lange auf Feindseligkeit gestoßen. Wer behauptet, das Gehalt des Informatikers sei höher als das des Büroangestellten, weil er mehr Humankapital und damit mehr Produktivität beisteuert, gerät leicht in den Verdacht, er wolle mit dieser Ungleichverteilung von Humankapital zugleich eine unverrückbare Ungleichheit zweier menschlicher Wesen behaupten oder gar die beträchtliche Differenz ihres jeweiligen Lebensstandards gutheißen. Dieser Verdacht ist übrigens nicht völlig aus der Luft gegriffen. Gary Becker und seine Kollegen an der Universität von Chicago, die diese Theorie entwickelt und bekannt gemacht haben [Becker, 1964], waren für ihren Ultra-Liberalismus bekannt. Tatsächlich begnügen sich diese Ökonomen nicht damit, Lohnungleichheit durch die Ungleichheit individueller Produktivität zu erklären. Die von ihnen vorgeschlagene Theorie des Ursprungs und der Bildung von Humankapital läuft vor allem darauf hinaus, jede anspruchsvolle Form staatlicher Intervention abzulehnen.

Es ist hilfreich, diese beiden Fragen gesondert zu behandeln, um mit der eingangs getroffenen Unterscheidung eine reine Umverteilung in Gestalt des Transfers von hohen zu niedrigen Löhnen von einer effizienten Umverteilung zu unterscheiden, die in den Prozess der Bildung von Humankapital selber eingreift. Wir nehmen also zunächst Ungleichverteilung des Humankapitals als gegeben an. Bietet die Zurückführung von Lohnungleichheit auf die schiere Ungleichheit der Produktivität eine zureichende Erklärung für real existierende Lohnungleichheiten? Verrät diese Theorie uns etwas über die effizienteste Weise, etwas gegen die Ungleichheit der Lebensstandards zu tun, die mit der Lohnungleichheit einhergeht? Im Anschluss konzentrieren wir uns auf die Frage der Bildung von Humankapital. Woher rührt die Ungleichverteilung des Humankapitals? Gibt es Instrumente seiner effizienten Umverteilung?



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