Normative Bedeutung von Handlungsfolgen by Stefan Hofmann

Normative Bedeutung von Handlungsfolgen by Stefan Hofmann

Autor:Stefan Hofmann
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: De Gruyter
veröffentlicht: 2022-07-04T07:17:58.951000+00:00


6.2.6 Moralische Rechte, Rechtsbegründung und Gerechtigkeit

Die Frage nach Brandts Konzept für die Bewertung von Handlungen ist für das Anliegen der vorliegenden Arbeit von zentraler Bedeutung. Sie muss in Kap. 6.3 erneut aufgegriffen und diskutiert werden. Vor dieser mit Blick auf den Akteur bzw. die Akteurin zugespitzten Kritik gilt es jedoch, die Grundlagendiskussion abzuschließen und erneut die Frage nach der Gerechtigkeit zu stellen: Kann Brandts Konzept den anti-utilitaristischen Gerechtigkeitseinwand zurückweisen und robuste moralische Rechte begründen? Es empfiehlt sich, hier – anders als in Kap. 5.2.7 – vom Konkreten zum Allgemeinen voranzuschreiten und zunächst Brandts Begriff moralischer Rechte (I.) und sein Konzept einer regelutilitaristischen Rechtsbegründung (II.) zu diskutieren, bevor wir zu einigen grundlegenden Beobachtungen zum regelutilitaristischen Gerechtigkeitsbegriff (III.) vorstoßen.

I. Richard Brandt spricht dem Diskurs über moralische Rechte trotz inflationären Gebrauchs der Berufung auf Rechte eine große Bedeutung zu. Die Rede von Rechten hilft ihm zufolge, die Aufmerksamkeit direkt auf bestimmte Interessen und Güter zu richten. Zudem vermittelt sie eine rhetorische Kraft, welche die Rede von Pflichten allein nicht entwickeln könnte. Brandts Anliegen ist es deshalb zu zeigen, dass der Regelutilitarismus die Rede von moralischen Rechten positiv aufgreifen, begründen und in den Utilitarismus integrieren kann.245 Ob das Projekt seiner regelutilitaristischen Begründung von Rechten überzeugen kann, wird in Abschnitt II zu diskutieren sein. Die folgenden Ausführungen sollen zunächst einige Einschränkungen in Brandts Begriff eines moralischen Rechtes aufzeigen.

Der Begriff moralischer Rechte ist ebenso komplex wie umstritten. Im Anschluss an den amerikanischen Juristen Wesley Hohfeld (1879 – 1918) unterscheiden viele Autoren jedoch zumindest zwei Typen einfacher Rechte: die sog. Anspruchsrechte (engl.: claim-rights) und Freiheitsrechte (engl.: liberty-rights bzw. privileges). Unter den von ihrer Struktur her passiven Anspruchsrechten können negative und positive Rechte unterschieden werden wie z. B. die negativen Eigentumsrechte (etwa, dass X nicht ohne Einladung die Wohnung von Y betreten darf) und das positive Recht eines Angestellten auf den vereinbarten Lohn. Als passiv können diese Anspruchsrechte beschrieben werden, da der Rechtsträger hier ein Anrecht auf bestimmte Gegenstände hat, die von anderen respektiert, erhalten oder zugeeignet werden sollen. Anspruchsrechte besitzen die Form: „A has a claim that B φ if and only if B has a duty to A to φ.“246 Jedes so konzipierte basale Anspruchsrecht korreliert mit Pflichten eines oder mehrerer anderen. Die Pflichten dieser Pflichten-Träger richten sich explizit auf den oder die Rechte-Inhaber. Freiheitsrechte weisen demgegenüber eine aktive Komponente auf: Hier geht es nicht nur um den Besitz eines Gegenstandes, sondern um die Gewährleistung der Freiheit, bestimmte Tätigkeiten ausüben zu können. Beispiele hierfür wären das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht, das eigene Zimmer grün zu streichen etc. Ihre Form kann mit Leif Wenar als „A has a privilege to φ if and only if A has no duty not to φ“247 angegeben werden. Freiheitsrechte können korrelative Pflichten generieren: Eine Regierung kann z. B. die Pflicht haben, das Recht auf freie Meinungsäußerung durch bestimmte Maßnahmen zu schützen etc. Allerdings sind diese aus den Freiheitsrechten generierten Pflichten nicht konstitutiv dafür, dass wir von den zuvor genannten Freiheitsrechten sprechen. Die meisten Rechte besitzen gemäß Hohfelds Analysemodell komplexere Strukturen als bisher beschrieben.



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