Morgen ist leider auch noch ein Tag by Tobi Katze

Morgen ist leider auch noch ein Tag by Tobi Katze

Autor:Tobi Katze [Katze, Tobi]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783644540019
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2015-09-07T16:00:00+00:00


Sommerschlaf

«Kann es denn nicht wenigstens regnen?», frage ich dieses «Draußen», das da vor meinem Fenster in Sonne zu ertrinken droht. Aber leider nie tut. Das wäre ja mal ein Anfang. Wenn die Außenwelt einfach aufhörte, mir so permanent entgegenzuexistieren, so betont sonnenscheinig gutgelaunt und bunt. Ich will mehr Kriege im Regen. Klingt furchtbar, wenn ich das so halblaut durch mein Bewusstsein treiben lasse, aber ich soll das mit dem Ehrlichsein ja mal versuchen, meint mein Therapeut. Zumindest zu mir selbst. Wenn ich also ehrlich zu mir selbst bin – habe ich Stimmungsschwankungen. Und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin – will ich, dass die ganze Welt den Bach runtergeht. Damit die Welt sehen kann, wie das so ist, wenn es einem beschissen geht. Also – mir. Vor allem mir. Denn manchmal, habe ich das Gefühl, will die Welt das gar nicht verstehen. Die Welt interessiert das kein Stück. Und dafür soll sie halt brennen. Ganz normale Reaktion, finde ich. Den Selbsthass auch mal total gesund nach außen projizieren.

Dieses «Draußen», das hat schon vor langer Zeit aufgehört, sich wirklich um mich zu kümmern, wie es mir geht, ob es mir überhaupt irgendwie geht oder ob ich treibe, in diesem immerzähen Nichts, was andere die Tage nennen. Die Welt interessiert das alles nicht, habe ich erst befürchtet und dann irgendwann gewusst. Und warum auch?

Wenn ich weiterhin ganz ehrlich zu mir selbst bin – ich als Welt könnte auf einen wie mich, auf so einen lethargischen Emotionsverlierer, hervorragend verzichten. Vielleicht würde ich sogar applaudieren, wenn so einer den Mumm besäße, einfach mal abzutreten, bevor das Stück vorbei ist. Ich als Welt würde da im Theater vom Stuhl aufspringen und rufen: «Bravo! Bravo! So viel Mut, so ein beschissenes, konzeptloses Stück nicht bis zum Ende zu inszenieren. Wirklich große Kunst.»

Aber selbst das wäre ja eine Form von Interesse seitens der Welt. Und das gibt es nicht. Wenn ich jetzt und hier abträte, denke ich mir, das wäre der Welt mal gepflegt scheißegal. Ich würde die Welt damit verletzen wollen, ihr zeigen wollen, was sie alles verpasst. Aber der Welt, diesem seltsam-abstrakten Konstrukt, mit dem ich meist alle außer mir meine, der Welt würde das nicht im Geringsten auffallen. Das würde nur die treffen, die es nicht verdienen. Aber niemals die, die ich treffen wollen würde. Und das ist das Verzwickte an der Geschichte. Vorzeitige Enden bestrafen immer nur die Falschen.

Also was tun?, frage ich mich, drehe einen Kronkorken zwischen den Fingern, starre auf die Sonne da draußen, während ich der Welt den Tod wünsche. Anscheinend bin ich an einen Punkt gelangt, an dem das Verhältnis zwischen mir und dem ganzen «Draußen» vor meinem Fenster völlig festgefahren und verhärtet ist. Eine Frontlinie, gezogen aus Doppelglas im Rahmen, und die Verhandlungen sind endgültig gescheitert. Wir haben uns nichts mehr zu sagen, was wir nicht ohnehin voneinander wüssten oder hören wollten. Wäre die Welt meine Freundin, wir würden nur noch stumm nebeneinanderliegen und darauf hoffen, dass der andere einfach die Fresse hält. Gescheiterte Beziehungsroutine. Die ersten



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