»Mir hat Gott keinen Panzer ums Herz gegeben« by Dohnanyi Hans

»Mir hat Gott keinen Panzer ums Herz gegeben« by Dohnanyi Hans

Autor:Dohnanyi, Hans [Dohnanyi, Hans]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-09-13T16:00:00+00:00


An Christine von Dohnanyi,

3./4. Juli 1943

[No.] 19

Mein geliebtes Herz,

heute war wieder einmal der große Tag, an dem ein Köfferchen von zuhause kam und die üblichen Sonntagsblümchen, die mir eine so liebe Gewohnheit geworden sind. Diesmal waren es dunkelrote Heckenröschen und zwei Stängelchen einer Art von Glockenblumen – hellblau und entzückend zart; leider bin ich botanisch zu ungebildet, um zu wissen, wie sie sich nennen. Die Farben stehen so wundervoll zueinander, ich freue mich den ganzen Tag daran! Etwas Obst aus dem Garten war in dem Köfferchen und ein Fläschchen Milch eigener Produktion; und dann Deine Kekse! Wie lieb hast Du Dir das alles wieder ausgedacht! Sehr gefreut habe ich mich auch über den Fontane; ich kenne das Bändchen ja eigentlich recht gut; und doch findet man beim Durchblättern immer wieder neue Schönheiten und neuen Trost. Fontane ist doch einer der größten Briefschreiber der Weltliteratur.162 Beim Aufschlagen fielen meine Augen auf die wundervollen Verse von Storm:

So komm denn, was da kommen mag,

Solang Du lebest, ist es Tag,

Und geht es in die Welt hinaus,

Wo Du mir bist, bin ich zu Haus.

Ich seh’ Dein liebes Angesicht,

Ich seh’ die Schatten der Zukunft nicht.163

Wenn Storm nichts anderes gedichtet hätte, würde er durch diese Verse zu den größten Lyrikern gehören. Vielleicht liebe ich sie auch nur deshalb so sehr, weil ich sie als Wandspruch über mein Bett hängen könnte, zuhause wie hier. Merkwürdig, dass dieses Liebesgedicht an niemand anderes gerichtet sein kann als an die eigene Frau! Die Anekdotensammlung von Scholz164 wage ich noch nicht anzusehen; an ihr hängen fast zu viel Erinnerungen. Aber vielleicht komme ich auch darüber hinweg; jedenfalls war’s ein sehr lieber Gedanke!

Gestern hatte ich einen großen Ärger. Ich hatte am Sonntag ein Selbstbildnis in Pastell für Bärbelchen begonnen, das nach vielen kleinen Änderungen gerade fertig und gar nicht einmal so schlecht geworden war. Vor allem war ich froh, einigermaßen die charakteristische Farbenwirkung des Pastells herausbekommen zu haben. Zum Fixieren benutzte ich die neue Spritze. Als ich anblies, ergoss sich geradezu ein Wasserstrahl oder besser: Fixativschwall über das Papier. Zu meinem Entsetzen stand in einem Nu ein Fixativsee auf dem Bild. Die graue Krawatte ging mit dem weißen Kragen eine unerlaubte Verbindung ein, das Venetianischrot trat aus seinem Versteck hervor und überschwemmte die Deckfarben, das India ergoss sich in das Hellblau des Weißen im Auge, kurz, es war eine große Schweinerei. Ich versuchte zu retten, was noch zu retten war, stieß dabei natürlich die Fixativflasche um und steigerte damit die Szene ins Buschartige. Zum Schluss war – um eine Deiner Wortschöpfungen zu gebrauchen – ein ganzer »Panster« von Fixativ auf dem herrlichen Gemälde, so dass es wie ein Ölbild spiegelte, und das Zarte der Pastellfarben war völlig verloren gegangen. Man kann das Ganze jetzt nur noch bei Streulicht und in 2–3 m Entfernung betrachten, und auch das geht nur, weil ich ein paar Lichter draufgesetzt habe, die nicht nachfixiert worden sind. Schade. Vielleicht gelingt das nächste, das ich Dir gern dedizieren möchte, besser. Bei Nachprüfung des Fixativs – dessen fixierende Wirkung übrigens, wie



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