Making News - Hinter den Kulissen der TV-Nachrichten by Gerald Gross

Making News - Hinter den Kulissen der TV-Nachrichten by Gerald Gross

Autor:Gerald Gross
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Kremayr Scheriau


Präsenz sticht Kompetenz

Figaro hier, Figaro da – dieser Anspruch der Kollegen in der Zentrale ist es, der den Leuten draußen das Leben oft schwerer macht, als es sein müsste. Jeder Chef vom Dienst der „Zeit im Bild“ sieht zwar auf Anhieb ein, dass es keinen Sinn macht, einen Reporter samt Kamerateam in der Rushhour vom Küniglberg nach Floridsdorf zu entsenden, weil das gut und gerne eineinhalb Stunden in Anspruch nehmen kann. Aber warum man in der gleichen Zeit nicht von Washington nach New York kommen soll, versteht keiner.

Um die Erwartungshaltung der eigenen Redaktion zu erfüllen, nehmen manche Korrespondenten oft gewaltige Reisestrapazen auf sich. Roland Adrowitzer etwa erinnert sich an den Sommer 2005, als er von Brüssel aus Großbritannien mitbetreute, weil es dort damals keinen eigenen Korrespondenten gab. Am 6. Juli war Roland Adrowitzer zum G8-Gipfel nach Edinburgh abkommandiert. Weil am selben Tag in Singapur in der Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees die Entscheidung über den Veranstaltungsort der Olympischen Sommerspiele 2012 fallen sollte, kaufte sich unser Korrespondent auf dem Flughafen vorsorglich gleich ein Ticket Edinburgh–London–Edinburgh. Sein Gefühl sagte ihm, dass London den Zuschlag bekommen und es abends in der Stadt heiß hergehen würde. Er hatte richtig getippt, flog nach London, berichtete in der „Zeit im Bild“ über den Jubel an der Themse und setzte sich dann wieder in den Flieger nach Edinburgh. Aber Reporterglück und -pech liegen manchmal verdammt nahe beieinander. Tags darauf, am Morgen des 7. Juli 2005, gingen in der Londoner Tube die Sprengsätze der Rucksackbomber hoch, und Roland Adrowitzer saß in Schottland fest. Es war unmöglich, einen Flug zu bekommen, die Bahnfahrt hätte fünf Stunden gedauert, und so entschied man in Wien, einen Ersatz nach London zu schicken.

Als Tage später im Zusammenhang mit den Attentaten in London Verdächtige festgenommen wurden, war Roland Adrowitzer schon wieder in Brüssel. Abends gegen 18 Uhr erreichte ihn der Anruf des damaligen Leiters des Außenpolitik-Ressorts, Peter Fritz:

„Roland, ich weiß, es ist ein bisschen spät, aber kannst du für die ZIB2 nach London fliegen und einen Live-Einstieg machen?“

„Peter, schau auf die Uhr. Es ist fast sechs.“

„Egal, wir checken dir ein Kamerateam in London und eine Leitung und ein Taxi vom Flughafen. Du musst nur um dreiviertel zehn am Feedpoint stehen.“

„Ok, bin schon unterwegs.“

Dann begann ein Wettlauf mit der Zeit: Vom Brüsseler Büro in der City durch den Abendverkehr auf den Flughafen Zaventem, Ticket kaufen, Sicherheitskontrolle, boarden, Abflug. Um 21.05 landete der „rasende Roland“ in London auf dem City Airport, „ideally located for those who need to fly in and out of London quickly and efficiently – just 22 minutes away from Bank“, wie der Stadtflughafen auf seiner Website vollmundig wirbt. Ein Versprechen, das Roland an diesem Tag auf seinen Realitätsgehalt überprüfen konnte, denn in diesen Tagen wurden in London alle genau kontrolliert, und bis unser Reporter den Flughafen verlassen und ins wartende Taxi springen konnte, war es 21.30 Uhr. Jetzt hieß es schnell und notdürftig schminken (auch wenn es keine Schaltung in ein Studio ist, am Abend wird man auch bei Einstiegen im Freien



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