Maigret - 41 - Maigret und der Mann auf der Bank by Simenon Georges

Maigret - 41 - Maigret und der Mann auf der Bank by Simenon Georges

Autor:Simenon, Georges [Georges, Simenon]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-06-27T04:00:00+00:00


»Zum Präsidium.«

»Zum Quai?«

»Nein. Zur städtischen Polizei.«

Es war Mittag. Die Leute, die aus den Büros und Geschäften kamen, zögerten wegen des Regens, sich auf den Weg zu ihren gewohnten Restaurants zu machen. Oberall in den Türen standen Gruppen, und auf allen Gesichtern lag dieselbe dumpfe Verdrossenheit. Die Zeitungen an den Kiosken waren aufgeweicht.

»Warte auf mich.«

Maigret ging in das Büro des Personalchefs und fragte dort nach einem gewissen Machère. Kurz darauf erfuhr er, daß es wohl einen Polizisten dieses Namens gegeben hatte, daß der aber vor zwei Jahren bei einer Schlägerei getötet worden war. Er hatte in der Avenue Daumesnil gewohnt. Seine Witwe erhielt eine Pension. Das Ehepaar war kinderlos gewesen.

Maigret schrieb sich die Adresse auf. Um Zeit zu gewinnen, rief er Lucas an, dadurch sparte er den Weg zum Büro.

»Hat sie ein Telefongespräch geführt?«

»Bis jetzt noch nicht.«

»Und sie ist auch nicht angerufen worden?«

»Nein, sie nicht. Nur eines der Mädchen, eine gewisse Olga. Es handelte sich um eine Anprobe. Der Anruf kam von einer Schneiderin an der Place Saint Georges.«

Maigret beschloß, mit dem Mittagessen noch zu warten. Er trank nur rasch in einer Bar einen Apéritif und stieg dann wieder in das kleine schwarze Auto.

»Avenue Daumesnil.«

Es war fast am Ende der Straße, unweit der Metrostation, ein kleinbürgerliches, ziemlich trist wirkendes Dutzendhaus.

»Wo wohnt Madame Machère?«

»Vierter Stock links.«

Der Aufzug fuhr ruckartig hoch und hatte die Eigenart, immer wieder zwischen den Etagen stehenzubleiben. Der Messingknopf an der Tür glänzte, die Fußmatte war vorbildlich sauber. Maigret läutete. Gleich darauf hörte er drinnen Schritte.

»Einen Augenblick!« rief jemand durch die Tür. Sie schien noch im Negligé zu sein und erst ein Kleid überstreifen zu wollen. Sie gehörte wohl zu jenen Frauen, die sich selbst dem Gasableser nicht im Morgenrock zeigen.

Wortlos musterte sie Maigret. Er sah deutlich, daß sie erregt war.

»Treten Sie ein, Herr Kommissar.«

Sie sah genauso aus wie auf den Fotos und wie der Verkäufer in dem Juweliergeschäft sie beschrieben hatte: groß und kräftig, sehr ruhig und selbstbeherrscht. Sie hatte den Kommissar sofort erkannt. Und natürlich wußte sie auch den Grund seines Besuches.

»Bitte hier entlang … Ich war gerade dabei aufzuräumen.«

Trotzdem war ihr Haar sorgfältig frisiert. Sie trug ein dunkles Kleid, an dem nur der oberste Druckknopf offenstand. Das Parkett glänzte. Neben der Tür standen ein Paar Filzpantoffeln, in die sie sicherlich hineinschlüpfte, wenn sie mit nassen Schuhen von draußen zurückkam.

»Ich mache Ihnen alles schmutzig.«

»Das macht nichts.«

Es war hier alles so wie in Juvisy, dieselben Nippsachen standen auf den Möbeln, die zwar weniger neu, dafür aber gepflegter waren. Über der Anrichte hing das gerahmte Bild eines Polizisten; eine Medaille war an dem Rahmen befestigt.

Maigret versuchte nicht, sie in Verlegenheit zu bringen oder sie durch eine überraschende Frage zu fangen. Übrigens hätte man sie auch kaum überraschen können. Er sagte statt dessen nur:

»Ich bin gekommen, um mit Ihnen über Louis zu sprechen.«

»Ich war darauf gefaßt.«

Obwohl sie sichtlich bewegt war, weinte sie nicht. Sie bewahrte Haltung. »Setzen Sie sich bitte.«

»Da wird nur Ihr Sessel feucht. Sie waren sehr gut befreundet, Louis Thouret und Sie?«

»Er mochte mich gern.«

»Nicht mehr?«

»Vielleicht liebte er mich.



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