Liebe macht blind - manche bleiben es by Nöstlinger Christine
Autor:Nöstlinger, Christine [Nöstlinger, Christine]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-10-02T17:00:00+00:00
Ist vielleicht mein Verhältnis zur Mode gestört?
Die Mode und ich haben seit eh und je miteinander Schwierigkeiten gehabt. Als Kleinkind tobte ich über die Klamotten, in die man mich stopfte, weil sie meinem Körpergefühl nach viel zu locker saßen und auch kratzten. Als großes Kind litt ich unter Übergewicht und wollte von Kleidern überhaupt nichts wissen.
In meinen frühen Jugendjahren verzweifelte ich, weil die Teens-Mode noch nicht erfunden war und man entweder als Kind oder als Frau eingekleidet wurde; beides kam mir unpassend vor. In meiner späten Jugend hätte ich genau gewusst, wie mich einzukleiden, aber dazu reichte das Geld nicht. Ich schneiderte selbst und oft ohne viel Erfolg. So erinnere ich mich an ein schulterfreies Abendkleid, im Rücken bis zur Taille ausgeschnitten. Ich nähte es aus einem festen Seidenstoff und meinte deshalb, auf versteifende Einlagen verzichten zu können, was ein Irrtum war, weil die Stoffsteife von Appretur herrührte, die sich beim Tanzen, in Tuchfühlung mit Frackbrüsten, auflöste, weshalb ich die zweite Ballhälfte mit streng über der Brust verkreuzten, behandschuhten Armen zubrachte, um nicht „oben ohne“ dazustehen.
Dann kamen gute Zeiten, denn die Sackmode war leichter zu schneidern, aber das hielt nicht lang an. Bald entflammte ich für Courréges: Drei Wochen hockte ich über einem weißen Kostüm, um ihm exakte schwarze Kanten aufzuzwingen, dann stopfte ich das Ding in den Flickenbinkel.
Hierauf kaufte ich ein gutes Jahrzehnt meine Kleidung in Boutiquen und suchte von Jahr zu Jahr „bessere“ Läden auf. Mit schlechtem Gewissen! Es ist kein gutes Gefühl, für einen Blazer so viel auszugeben, wie eine Arbeiterin im Monat verdient. Ich tat diese Käufe auch nicht regelmäßig. Immer nur dann, wenn ich besonders frustriert war, wenn mir mein Leben und meine Arbeit zum Kotzen vorkamen, plumpste ich in einen Luxusladen und grapschte mir ein Luxusstück. Und besonders blöd kam ich mir vor, wenn ich merkte, dass mir das Wissen, ein Armani- oder Cerruti-Etikett im Futter zu haben, Selbstwertgefühl verschaffte.
Seit ich meistens auf dem Land lebe, trage ich alte Sachen auf. Gestern, als ich mit meinem Mann zum Nachbarn ging, blieb er auf halbem Weg stehen, starrte und fragte: „Sag, wie schaust denn du eigentlich aus?“
Ich weiß nicht, was er hatte! Die gelbe Hose war von Hechter, die braune Bluse von Rodier, der rote Pulli von Armani, die rosa Tennissocken von Lacoste und die grünen Trachtenschuhe vom Lanz! Vielleicht hatte er nur was dagegen, dass ich seinen Burberry übergezogen hatte. Der ist mir nämlich ein wenig zu groß, und der Saum schleift im Staub, wenn ich ihn trage.
Aber mit der Mode, glaube ich, habe ich Frieden geschlossen.
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