Liebe, Lust und Trauma by Franz Ruppert

Liebe, Lust und Trauma by Franz Ruppert

Autor:Franz Ruppert
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Kösel-Verlag
veröffentlicht: 2019-08-13T07:47:14+00:00


Abbildung 7: Das Kind erlebt schon im Mutterleib die dunklen Wolken der mütterlichen und väterlichen Psychotraumata

In konkreten therapeutischen Arbeiten stellt sich diese vorgeburtliche Traumatisierung oft wie ein Schlachtfeld dar, auf dem die einzelnen psychischen Anteile eines noch ungeborenen Kindes wie Verwundete und im Schock erstarrte Soldaten herumliegen. Entsprechend sind dann die Geburtsprozesse noch weiter traumatisierend, weil einerseits die Mutter während der Geburt nicht aktiv genug ist, um das nicht gewollte Kind zur Welt zu bringen. Andererseits fehlen auch dem Kind die Lust und die Freude darauf, geboren zu werden. Meist gibt es nur einen Überlebensanteil, der dringend aus dem Bauch der Mutter herauswill; dieser will seinem intrauterinen Leiden ein Ende bereiten. Viele andere Anteile verharren abgespalten weiter in der Gebärmutter oder bleiben in einem Moment des Geburtsprozesses stecken. Zusätzlich zu dem technikfixierten und auf Gewinnmaximierung angelegten Geburtsmedizinsystem (Emerson 2017; Mundlos 2015) ist diese Traumadynamik ein wesentlicher Grund dafür, warum es während der Geburt so häufig zu Gewalthandlungen gegenüber Mutter und Kind und zu Zangen-, Vakuum- und Kaiserschnittgeburten kommt (WDR 2019).

Eine wesentliche Variante des Traumas der Identität ist es, wenn eine Frau sich ein Kind aus einer Trauma-Überlebensstrategie heraus wünscht, um die eigenen Psychotraumata nicht zu realisieren. Durch das »lang ersehnte Wunschkind« erhoffen sich solche Frauen, teilweise auch ihre Partner, sich von ihren Ängsten, Sinnlosigkeits- oder Einsamkeitsgefühlen befreien zu können. Das Kind soll ihnen einen Lebenssinn geben, den sie sonst nicht haben. Das Kind soll einer Frau z. B. helfen, den Mann an sich zu binden oder in einer Beziehungskrise sein Weggehen zu verhindern. Solche »Wunschkinder« sind nicht um ihrer selbst willen da, sie müssen einen Zweck für ihre Mutter oder ihren Vater erfüllen (z. B. der männliche Nachfolger in einem Familienbetrieb zu werden). Solche Kinder sind für ihre Eltern eher eine Idee. Kinder haben aber körperliche Bedürfnisse, sie zeigen Gefühle, sie wollen Körperkontakt, sie können ihre Ausscheidung noch nicht kontrollieren, sie werden krank, sie entwickeln Wut auf ihre Eltern, wenn sie nicht ausreichend körperlich versorgt und geliebt werden. Durch die reale Schwangerschaft, die Geburt und die Lebendigkeit des Kindes geraten solche Mütter, die sich zum Schutz vor ihren Traumagefühlen in den Kopf geflüchtet haben, vielfältig in Gefahr, mit ihren Traumagefühlen in Berührung zu kommen. Sie spalten sich in der Folge noch weiter von ihren Gefühlen und ihrem Körper ab. Sie unterdrücken die Lebensäußerungen ihres Kindes, um ihre mühsam errungene innere Stabilität nicht zu gefährden. Sie versuchen mangels eigener Gefühle, sich über ihre Kinder zu fühlen.

Solche Wunschkind-Ideen zwingen ein Kind somit von Anfang an dazu, seine Bedürfnisse und Gefühle zu verleugnen, seine Lebendigkeit im Zaum zu halten, um den Erwartungen seiner Eltern gerecht zu werden und deren psychische Stabilität nicht zu gefährden. Nur wenn sie deren Überlebensstrategie-Wünsche bedienen, haben sie eine Daseinsberechtigung. Fangen sie an, eigene Ideen und Bedürfnisse zu entwickeln, werden sie von den Überlebensstrategien ihrer Eltern geschickt manipuliert, diese schnell wieder aufzugeben: »Du möchtest doch nicht, dass deine Mutter wegen dir traurig ist, oder?« »Du bist schuld, wenn deine Mama sich aufregt und krank wird!« Die Kinder fangen dann



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