Liebe in der Psychotherapie by Reinhardt Krätzig
Autor:Reinhardt Krätzig [Krätzig, Reinhardt]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Books on Demand GmbH
veröffentlicht: 2015-11-23T16:00:00+00:00
Sprache und Stimmigkeit
Das wichtigste Mittel, einander zu begegnen und das Vertrauen zum Patienten aufzubauen, ist die Sprache des Therapeuten. In ihr muss das komplette Angebot der Therapie „verpackt und transportiert“ werden. Es ist daher eine sehr vorsichtige Sprache, frei von Verletzungen und immer auf der Suche danach, den Anderen zu erreichen. Sprache geschieht mit der Stimme. Darin steckt auch der Begriff der Stimmigkeit. Es ist nicht beliebig, wie die Stimme klingt und was sie ausdrückt. Um das Gegenüber zu erreichen, muss die Kommunikation auch auf „dessen Frequenz“ stattfinden, sich also nahe an dem bewegen, was den Anderen bewegt. Hochsensible Menschen können Stimmigkeit spüren, normal sensible Menschen können Stimmigkeit erfragen. Die Beobachtung des Gegenübers führt zu den Momenten, in denen sich Irritation, vielleicht Unwillen, vielleicht aber auch positive Resonanz in den Gesichtszügen, der Gestik und der Haltung des Patienten ausdrückt. Gerade am Anfang macht es Sinn, sehr viele der (oft unwillkürlichen) Reaktionen des Gegenübers zu hinterfragen.
Auch wenn sich keine visuell erfassbare Reaktion zeigt, ist es sinnvoll, immer wieder nachzufragen, wie es dem Patienten mit dem geht, was gerade im Raum ist bzw. gesagt wurde. Nur so kann sich der Therapeut in die Befindlichkeit des Gegenübers einschwingen. Gelingt dies, wird die Sprache ganz natürlich in der richtigen Weise gefärbt und inhaltlich angemessen aufgebaut sein. Deshalb biete ich hier an dieser Stelle auch keine Regeln für einen richtigen oder falschen Satzbau, richtige oder falsche Formulierungen an, sondern appelliere an den Therapeuten, sich soweit für sein Gegenüber zu öffnen und so viele Fragen zu stellen, wie notwendig sind.
Aber alles Bemühen würde zunichte gemacht, wenn der Therapeut seine eigene Stimmigkeit dabei außer Acht lässt. Er ist sich selbst gegenüber verpflichtet, eigene Möglichkeiten und Grenzen immer im Auge zu behalten. Die Stimmigkeit des Therapeuten ist hier keine Nebensache. Ganz im Gegenteil. Nur, wenn der Therapeut auch mit sich selbst in positiver Resonanz ist, kann er für seinen Patienten ein glaubhaftes Gegenüber sein. Ein von sich selbst abgespaltener Therapeut schafft eine Atmosphäre von Distanz, Trennung und Fremdsein. Diese Stimmungen wären vollkommen ungeeignet, jemandem Vertrauen zu vermitteln.
Manchmal gibt es im Miteinander auch Situationen, in denen sich Stille etabliert. Diese Stille ist oft wertvoll, dennoch plädiere ich dafür, zumindest im Nachhinein die beteiligten Gefühle auszutauschen. Erstens, um sich zu vergewissern, dass beide über dasselbe Thema geschwiegen haben. Und zweitens, um den beteiligten Gefühlen auch die Wertschätzung zu geben, die ihnen zusteht. Im Schweigen würden sie vielleicht untergehen und hinter den nächsten Themen verschwinden. Erst, wenn sie mit Worten belegt werden, können sie auch fokussiert und verstanden werden. Dann werden sie zur Ressource und können die Kraft entfalten, die in ihnen steckt.
Sprache gibt Gefühlen Raum
Weiter vorne hatte ich bereits erläutert, welche dichten Atmosphären und Berührung gesprochene Worte erzeugen können. Sprache gibt Gefühlen Raum. Sie ist das zentrale Mittel der Therapie, sich in Bezug zu setzen und diesen Bezug zu gestalten. Die Verbalisierung intensiver Gefühle zum Gegenüber fällt schwer, wenn die Überzeugung regiert, dass diese Gefühle hier nicht hingehören. Daher werden Verliebtheitsgefühle oft verschwiegen. Es ist die Aufgabe des Therapeuten, den
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