Kleist by Adam Soboczynski

Kleist by Adam Soboczynski

Autor:Adam Soboczynski [Soboczynski, Adam]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Luchterhand
veröffentlicht: 2016-01-20T00:00:00+00:00


mit Kraft der Rasenden, sogleich

Den Bogen an, daß sich die Enden küssen,

Und hebt den Bogen auf und zielt und schießt,

Und jagt den Pfeil ihm durch den Hals; er stürzt:

Ein Siegsgeschrei schallt roh im Volk empor.

Jetzt gleichwohl lebt der Ärmste noch der Menschen,

Den Pfeil, den weit vorragenden, im Nacken,

Hebt er sich röchelnd auf, und überschlägt sich,

Und hebt sich wiederum und will entfliehn;

Doch, hetz! schon ruft sie: Tigris! hetz, Leäne!

Hetz, Sphynx! Melampus! Dirke! Hetz, Hyrkaon!

Und stürzt – stürzt mit der ganzen Meut’, o Diana!

Sich über ihn, und reißt – reißt ihn beim Helmbusch,

Gleich einer Hündin, Hunden beigesellt,

Der greift die Brust ihm, dieser greift den Nacken,

Daß von dem Fall der Boden bebt, ihn nieder!

(…)

Sie schlägt, die Rüstung ihm vom Leibe reißend,

Den Zahn schlägt sie in seine weiße Brust,

Sie und die Hunde, die wetteifernden,

Oxus und Sphynx den Zahn in seine rechte,

In seine linke sie (…)

Derlei Schlachtung ist, wie es häufig heißt bei Kleist, »entsetzlich«. Doch größtes Glücksmoment zugleich. Der Untergang als Verheißung ist sorgsam vorbereitet. »Zum Tode war ich nie so reif als jetzt«, ruft Penthesilea aus, als sie ziemlich in der Mitte des Dramas irrigerweise glaubt, Achill als Gefangenen in ihre Heimat führen zu können. Und variiert den Satz später: »Ganz reif zum Tod’ o Diana, fühl’ ich mich!« Als ihr im letzten Auftritt die eigene Gräueltat recht bewusst wird, bringt sie sich auf, man darf sagen, besondere Weise um. Sie gräbt, »kalt wie Erz«, sich »ein vernichtendes Gefühl hervor«, sie schmiedet sich einen Dolch aus Sprache: »So! So! So! So! Und wieder! – Nun ist’s gut.« Die Regieanweisung lautet: »Sie fällt und stirbt.«

Wort wird hier zu Fleisch wie das Brot und der Wein unter der Zeremonie des Priesters zum Leib und Blut Christi. Die Sprache, die sich im Drama überschlägt, vollbringt das Wunder, das, was es ansonsten nur beschreibt, auch tatsächlich hervorzubringen. Das schöne Kunstwerk ist die reale Gegenwart des Krieges.

Goethe hatte die Beobachtung gemacht, dass Kleist ein starkes Interesse am Christentum hat, dass er bisweilen antikes Gedankengut ins Christliche wendet, was häufig bestritten wurde und wird. Indes hat Goethe natürlich recht. Auffällig häufig taucht in Kleists Werken der Fronleichnamstag auf, an dem die christliche Transsubstantiation, die Wandlung, gefeiert wird. In Kleists Erzählung Die heilige Cäcilie oder Die Gewalt der Musik findet ein Wunder am Fronleichnamstag statt, an eben jenem sinkt »die unglückliche Josephe, bei dem Anklange der Glocken, in Mutterwehen auf den Stufen der Kathedrale« im Erdbeben in Chili nieder. Kohlhaas wiederum begehrt sehnsüchtig den Leib Christi von Luther, bis dieser ihm am Ende der Novelle auch tatsächlich gewährt wird. »Willst du das Abendmahl empfangen?«, fragen die Priester des römischen Gottesstaats auch Piachi im Findling, um ihn gesetzestreu erhängen zu können. Ja, bereits Kleists erstes Drama, Die Familie Schroffenstein, setzt mit einer Wandlungsszene ein, in der das Haus Rossitz in einem Schwur auf den Leib Christi seine Rachegelüste untermauert.

Das Wort soll bei Kleist Fleisch werden, Körperlichkeit, Gewalt. Vor allem Kleists Propagandaschriften leben von der Hoffnung, dass der kalte Buchstabe Wirklichkeit wird, dass der dargestellte Befreiungskrieg sich wundersamerweise zum realen verwandelt. Kleist,



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