King of the World by Remnick David
Autor:Remnick, David [Remnick, David]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Der Aufstieg des Cassius Clay oder die Geburt des Muhammad Ali
Herausgeber: Piper Verlag
veröffentlicht: 2016-07-27T22:00:00+00:00
DRITTER TEIL
KAPITEL 9
KREUZ UND HALBMOND
New York, 1963. Mit Malcolm X. [Howard L. Bingham]
Clay wußte, wenn er sein Interesse an der Nation of Islam öffentlich machte, konnte das seine Chance, gegen Liston um den Titel zu kämpfen, gefährden, doch ganz mochte er sich nicht zurückhalten. Verstecken, verheimlichen, lügen – das war nicht seine Sache. Das Ergebnis war, daß sein neuer Glaube an die Presse durchsickerte, zwar nicht auf einmal als die große Enthüllung, aber nach und nach, Artikel um Artikel. Am 30. September 1963 schrieb die Philadelphia Daily News, Clay habe an einer Kundgebung der Black Muslims in der Stadt teilgenommen, auf der Elijah Muhammad seine übliche dreistündige Tirade gegen die Bürgerrechtsbewegung und die weiße Rasse abgelassen habe. »Obwohl er sagte, er sei kein Muslim«, fuhr der Artikel fort, »sagte Clay, er finde Muhammad ›toll‹.«
Was die Daily News nicht wußte, war, daß Elijah Muhammad noch immer Abstand zu Clay hielt, Malcolm X dagegen, sein eloquentester und bekanntester Prediger, nicht. Wie viele neue Mitglieder der Nation in den fünfziger Jahren hatte Malcolm, als er zu der Sekte stieß, Großstadtarmut, Kriminalität und Gefängnis hinter sich. Als »Detroit Red« war Malcolm Alkoholschmuggler, »Numbers«-Verkäufer (eine Art Lotterie) und Drogendealer gewesen; als »Rhythm Red« hatte er in Nachtclubs getanzt. Schließlich saß er eine Strafe im Gefängnis von Charleston und der Besserungsanstalt von Concord ab, wo er dann 1948 zur Nation of Islam konvertierte. Als Malcolm 1952 aus dem Gefängnis entlassen wurde, lernte er Elijah Muhammad kennen und stieg schnell auf der Leiter der Muslim-Priester auf. Keiner der Anhänger Muhammads hatte eine solche Intelligenz und solch rhetorisches Geschick gezeigt. Bei den alljährlichen »Savior’s Day«-Kundgebungen redete Malcolm häufig vor Elijah Muhammad, und zumeist stahl der Protegé dem »savior«, dem Erlöser, selbst die Schau. Wegen seiner Jugend, weil er auf der Straße gelebt und schließlich die Erlösung davon gefunden hatte, wegen seiner Disziplin, seines sprühenden Geistes, seiner klaren, voll tönenden Sprache übte Malcolm auf Neumitglieder eine starke Anziehungskraft aus. Er wurde zum Symbol für kompromißlose Kraft, Authentizität und Männlichkeit. Malcolm wagte es auch, sich Muhammad (zunächst behutsam) entgegenzustellen, indem er ihn drängte, die traditionelle Isolationspolitik der Nation zugunsten eines direkteren Engagements bei politischen Aktionen aufzugeben. Dabei war er keineswegs der erste schwarze Nationalist – vor ihm hatte es schon Hubert Harrison, Henry McNeal Turner, Martin Delany und viele andere gegeben –, doch keiner, nicht einmal Elijah Muhammad, verbreitete den Gedanken der Identität der afrikanischen Amerikaner mit größerer Verve. »Wirkten die schwarz-nationalistischen und separatistischen Gedanken, die von Elijah Muhammad kamen, verschroben, kultartig, provinziell und marginal«, schreibt Gerald Early, »so wirkten dieselben Gedanken, wenn sie von Malcolm kamen, revolutionär, hip und dynamisch.«
Elijah Muhammad erkannte in Malcolm X einen potentiellen Rivalen, aber er sah auch seinen Wert als Redner und Organisator, als Werbender und als Brücke zu den Medien und der größeren Welt. Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre wurde Malcolm als Leiter der New Yorker Moschee Nr. 7 zum festen Ansprechpartner der Presse; ungeachtet der Haltung der Sekte gegenüber Gewalt und den »blauäugigen Teufeln«, vermochte er zahllose weiße Reporter
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