Kaninchenherz3 by Annette Wieners

Kaninchenherz3 by Annette Wieners

Autor:Annette Wieners [Wieners, Annette]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2015-06-07T16:00:00+00:00


Zehn Jahre zuvor

Philipp auf dem Rasen. Philipp, neben dem ein Sarg abgestellt wurde. In einiger Entfernung abgestellt, denn die Lache um Philipps Körper musste im Originalzustand erhalten bleiben.

Ein Sarg aus Metall.

Philipp, der fotografiert wurde. Von oben, von jeder Seite, mit jedem Detail. Mit Brei auf dem T-Shirt und im Gesicht. Mit klebrigen Haaren.

Sein Mund stand vermutlich offen. Von der Terrasse aus war es nicht zu erkennen.

Das Diktiergerät, das laut besprochen wurde, während man um Philipp herumging: »Die Lage mehrfach verändert durch die Mutter. Erbrochenes bis weit in den Nacken. Ursprüngliche Lage bei Eintritt des Todes vermutlich flach auf dem Rücken.«

Die Spurensicherung in weißen Anzügen. Die Blicke gesenkt.

Der alte Kripochef auf dem Rasen und Klaus. Klaus, der sich auf den Chef stützte. Klaus, der noch nicht ein einziges Mal zur Terrasse herübergeschaut hatte.

Gesine auf der Terrasse. Eine Polizistin links, eine rechts. Sie hatten ihre Mützen auf. Sie schwitzten, sie stanken, und doch blieben sie nah bei Gesine.

Bei Philipp dagegen blieb man auf Abstand. Von uns gegangen, entschlafen.

Ihn noch einmal aufheben. Ihn noch einmal in die Arme nehmen und drücken.

»Bleiben Sie hier.« Die Polizistin legte nun doch die Mütze ab.

Mareike, die vor dem Gartenhäuschen stand. Ein Polizist links, Lasse Johannsen rechts. Mareike, die weinte und heulte, immer wieder wie eine Sirene zwischen den Sätzen.

»Ich wusste doch nicht, dass er im Garten gespielt hat.«

Nicht? War denn kein schönes Wetter?

»Sie hat keinen Arzt gerufen«, sagte Gesine, und die Polizistinnen nickten eilig, in der Hoffnung auf Schweigen.

Kein Arzt, keine Aufsicht. Und Überstunden.

Klaus, der auf Mareike zeigte und brüllte: »Der Junge hat immer im Garten gespielt, Mareike!«

Klaus, der ebenfalls weinte. Das hatte sie noch nie gesehen.

»Keiner hat mir Bescheid gesagt.« Mareikes Stimme überschlug sich. »Ich wusste gar nicht, dass er zu Hause ist. Ich wusste auch nicht, dass bei euch giftige Pflanzen wachsen!«

Hier musst du schütteln, hier an den Stängeln.

Gesine, die sich hinstellen wollte, an der aber die Polizistinnen zogen.

Der Arzt, der sich hinkniete und mit den Zähnen eine Verpackung aufriss.

Drüben auf dem Rasen der Sargdeckel, der hochgehoben wurde. Beiseitegestellt. Die Spurensicherung, die jetzt in die Fichten schaute. Klaus, der auf die Knie ging. Der Chef, der ihm auf die Schulter klopfte, und Mareike, die endlich verstummte.

Ein Leib, der sich offenbar kaum fassen lief. Schlaff, glitschig und doch so hübsch. Philipp.

Zwei Männer an seinen Beinen, zwei an den Oberarmen, und niemand hielt seinen Kopf, der nach hinten kippte.

Der Schleim zog Fäden von der Lache bis zum Kopf, und von der Lache bis zur Hose. Und es tropfte von Klaus, der sich wegdrehen musste.

Nicht so Gesine. Gesine streifte die Polizistinnen ab. Ein letztes Mal lief sie los, geradeaus über den Rasen. Mühsam, erneut gegen Widerstände, aber diesmal kam sie zur rechten Zeit.

Philipps Hand, die noch über den Rand der Metallwanne hing.

Sie nahm sie, drückte sie zärtlich an ihren Mund und reichte sie ihm in die Wanne. »Ich habe dich lieb.«



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