Johann Gottlieb Fichte by Manfred Kühn

Johann Gottlieb Fichte by Manfred Kühn

Autor:Manfred Kühn
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406630859
Herausgeber: C.H.Beck


Das System der Sittenlehre: «Ich bin ein Werkzeug des Sittengesetzes in der Sinnenwelt.»[339]

Das System der Sittenlehre nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre erschien im Frühjahr 1798 bei Gabler.[340] Mit ihr erfüllte Fichte ein schon in dem Begriff der Wissenschaftslehre gemachtes Versprechen, auch eine Sittenlehre im Zusammenhang seines Systems zu entwickeln. Er hatte schon im ersten Semester in Jena Vorlesungen zu diesem Thema anbieten wollen, war aber aus Zeitdruck nicht dazu gekommen. Das Buch geht zurück auf Vorlesungen, die Fichte im Sommersemester 1796 und Wintersemester 1796/97 hielt. Auch zu diesen Vorlesungen ließ Fichte Druckbogen für seine Zuhörer anfertigen.

In der Ankündigung des Verlags wurde darauf hingewiesen, dass dieses Buch die Begründung der Wissenschaftslehre vertiefen und einige Hauptbegriffe, wie z.B. den der Freiheit und den des kategorischen Imperativs erläutern wolle. Außer diesem «kleinen spekulativen Teil» habe er noch versucht, die Resultate seiner Überlegungen zur Moral systematisch auf das wirkliche Leben anzuwenden. Die natürliche Theologie habe er aber nicht behandelt.[341] Das Buch besteht aus drei Teilen oder «Hauptstücken». Im ersten Teil liefert Fichte eine «Deduktion des Prinzips der Sittlichkeit», im zweiten Teil eine «Deduktion der Realität und Anwendbarkeit dieses Prinzips», während er im dritten Teil die Sittenlehre im engeren Sinn oder die systematische Anwendung des Prinzips der Sittlichkeit liefert. Das dritte Hauptstück ist bei Weitem das längste. In ihm will Fichte die formalen und materialen Bedingungen der Moralität aufzeigen, gibt eine systematische Übersicht unserer Pflichten und stellt die eigentliche Pflichtenlehre dar.

Der dritte Abschnitt ist in mancher Hinsicht vollkommen unabhängig von den beiden ersten Teilen. Ausgehend von dem vermeintlichen Zweck der Sittenlehre, der außerhalb meiner selbst liegen soll und nach dem ich nur ein «bloßes Werkzeug», «Mittel» oder «Objekt» des Sittengesetzes in der Sinnenwelt sei, unterscheidet Fichte zwischen allgemeinen und besonderen bedingten Pflichten und besonderen absoluten Pflichten.[342] Die allgemeinen bedingten Pflichten betreffen die Erhaltung meines Lebens als moralisches Wesen. Die besonderen bedingten Pflichten sind Standespflichten, also Pflichten, die aus unserem sozialen Status folgen. Fichte glaubt, im Gegensatz zu Kant, es sei, «wo es besondere Stände giebt, absolute Pflicht eines jeden Individuums, seinen Stand zu haben, d.h. auf seine besondere Art den Vernunftzweck zu befördern».[343]

Diese Auffassung begründet eine konservative und gesellschaftlich motivierte Auffassung der Moralität. Fichte beschreibt jedoch auch natürliche Pflichten, die das Verhältnis von Ehegatten sowie Eltern und Kindern zueinander betreffen, und in der Fortpflanzung der Gattung oder der Liebe ihren Grund hätten. Weiterhin gebe es Pflichten, die mit den verschiedenen Berufen der Menschen verbunden sind. Staatsbeamte, Gelehrte, moralische Volkslehrer, Pfarrer und Prediger und «ästhetische Künstler» haben besonders wichtige Pflichten, aber auch Jäger, Landbauern, Bergleute, Handwerker und Fabrikanten und Kaufleute, die Fichte zusammenfassend die «niedere Volksklasse» nennt, haben ihre eigenen Pflichten. «Die niederen Volksklassen sind […] dazu bestimmt, unmittelbar auf die vernunftlose Natur um der vernünftigen Wesen willen zu wirken.»[344] Sie müssen verstehen, dass ihre Arbeit einen Vernunftzweck hat. Sie haben außerdem die Pflicht, «die Mitglieder der höheren Klassen» und insbesondere die Gelehrten und Künstler als «höher gebildete Menschen» zu ehren.[345] «Die Regel des Umgangs mit ihnen – welche zugleich die alles populären Vortrages ist –



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