In Shitgewittern by Jon Ronson

In Shitgewittern by Jon Ronson

Autor:Jon Ronson [Ronson, Jon]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Anthropologie, Gesellschaft, Journalismus, Kulturkritik, Netz, Public Shaming, Sozialwissenschaft
ISBN: 9783608100587
Herausgeber: Tropen
veröffentlicht: 2016-08-26T22:00:00+00:00


Als ich nun in meinem Hotelzimmer lag, wurde mir klar, worum es im Kern eigentlich ging. Meine Angst vor Demütigung hatte eine Tür zuschlagen lassen. Große Abenteuer, die ich, verkleidet als Frau, hätte erleben können, würde ich nun niemals erleben. Die Angst hatte mich ausgebremst. Mich aus der Kurve gefegt. Was bedeutete, dass ich genauso wie die meisten Menschen war. Ich musste an David Buss denken, einen Professor für Evolutionäre Psychologie an der University of Texas in Austin, mit dessen Arbeit ich mich intensiv beschäftigt hatte.

Zu Beginn der 2000er Jahre war Buss auf einer Cocktailparty gewesen, auf der die Ehefrau eines Freundes vor aller Augen mit einem anderen Mann zu flirten begonnen hatte. »Eine umwerfend schöne Frau«, schrieb Buss später. »Sie sah ihren Mann spöttisch an, machte eine abfällige Bemerkung über sein Aussehen und widmete sich dann gleich wieder ihrer flirtenden Unterhaltung«.

Buss’ Freund stürmte nach draußen (wohin er ihm folgte), schäumte vor Wut und brachte zum Ausdruck, wie gedemütigt er sich fühle und dass er seine Frau umbringen wolle. »Ich hatte keinerlei Zweifel daran, dass er es tun würde. Tatsächlich war er derart außer sich, ein so veränderter Mann, dass er in der Lage zu sein schien, egal wen in Reichweite umzubringen. Ich fing an, um mein eigenes Leben zu bangen.«

Buss’ Freund brachte seine Frau nicht um. Er beruhigte sich wieder. Aber der Vorfall rüttelte Buss wach und er entschied sich, ein Experiment durchzuführen. Er stellte 5 000 Leuten eine Frage: Haben Sie in ihrer Fantasie schon einmal jemanden umgebracht?

Die Umfrage ergab, dass 91 Prozent der Männer und 84 Prozent der Frauen bereits »mindestens einmal eine lebhafte Fantasie, jemanden umzubringen« gehabt hatten. Da gab es etwa den Mann, der sich vorgestellt hatte, »einen Sprengstoffexperten zu engagieren«, um seinen Chef in dessen Auto in die Luft gehen zu lassen, oder die Frau, die im Körper ihres Partners »jeden Knochen brechen« wollte, »angefangen mit den Fingern und Zehen, bevor ich mich dann langsam zu den größeren vorarbeite«. Es gab den Totschlag mit dem Baseballschläger, eine von einer Enthauptung gefolgte Strangulation, ein Erstechen beim Sex. Leute gingen in Flammen auf. Ein Mann wurde Killerbienen ausgeliefert.

»Die Mörder warten«, endete Buss’ Buch tonlos. »Sie beobachten. Und sie sind überall unter uns.«

Buss quälten seine Ergebnisse. Ich allerdings hielt sie für eine gute Nachricht. Sich auszumalen, jemanden umzubringen, und es dann nicht zu tun, war doch sicherlich ein Weg, wie wir uns selbst moralisches Verhalten beibrachten. Deshalb kamen mir Buss’ Schlussfolgerungen lächerlich vor. Ich fand an dieser Studie aber etwas Anderes bemerkenswert. Etwas, das – wie Buss’ Forschungsassistent Joshua Duntley mir per Mail mitteilte – »wir nicht gesondert kodiert hatten.« Die Frage nämlich, was denn die mörderischen Gedanken ausgelöst hatte.

Da war beispielsweise der Junge, der davon geträumt hatte, seinen Schulkameraden zu entführen und ihm »beide Beine zu brechen, damit er nicht weglaufen konnte. Dann würde ich ihn verprügeln, bis er innendrin nur noch blutiger Matsch ist, ihn an einen Tisch fesseln und ihm Säure auf die Stirn gießen.« Was hatte ihm der Schulkamerad denn getan? »Er hat ›versehentlich‹ seine Bücher auf meinen Kopf fallen lassen und alle seine Freunde haben sich kaputtgelacht.



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