Gute-Macht-Geschichten by Stephan Hebel
Autor:Stephan Hebel [Daniel Baumann, Stephan Hebel]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Westend Verlag
veröffentlicht: 2016-02-19T16:00:00+00:00
Lohn|ne|ben|kos|ten, die: Gemeint sind Aufwendungen, die dem Arbeitgeber über den Lohn im engeren Sinne hinaus entstehen, zum Beispiel Kosten für Aus- und Weiterbildung, Steuern auf die Lohnsumme oder Beiträge zur Sozialversicherung. In der politischen Debatte werden die »Lohnnebenkosten« in der Regel auf die Sozialversicherungsbeiträge reduziert. Sie sind das politische Narrativ, um zu erklären, warum Arbeitsplätze hierzulande geschaffen oder vernichtet werden. Sie »verteuern« menschliche Arbeit, heißt es. Sie »belasten« Unternehmer und »schädigen« die →Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Folgerichtig wird die Senkung der Lohnnebenkosten als wirtschaftspolitisches Allheilmittel gesehen.
Exemplarisch sei hierzu Jens Spahn (CDU) zitiert, ehemaliger gesundheitspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion und heute Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Im Juni 2015 erklärte er im Bundestag, warum der Beitrag der Arbeitgeber zur gesetzlichen Krankenkasse auf einem fixen Niveau festgeschrieben wurde: »Dieses Vorgehen ergab sich aus der Erkenntnis, dass steigende Lohnnebenkosten die Arbeit in Deutschland verteuern, dass also auch steigende Gesundheitskosten, die in einer älter werdenden Gesellschaft zwangsläufig sind, den Faktor Arbeit und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland teurer machen.«223
Spahn befindet sich mit dieser Sichtweise auf politisch sicherem Terrain. Denn auch Grüne, Sozialdemokraten oder Liberale haben schon so argumentiert. Und natürlich hat Spahn recht: Steigende Lohnnebenkosten machen Arbeit in Deutschland teurer. Wo also liegt das Problem?
Das Problem liegt schon im Begriff »Neben«kosten. Damit wird so getan, als seien sie ein Zusatz zum eigentlichen Lohn, eine Art Beigabe über das Verdiente hinaus. Dadurch geraten »Lohnnebenkosten« in den Verdacht, eigentlich überflüssige Ausgaben zu sein, die es zu minimieren gilt. Der Begriff geistert seit Jahrzehnten durch den Bundestag und die Medien und hat dabei diese negative Konnotation angenommen. Dabei wird nicht mehr darüber nachgedacht, was »Lohnnebenkosten« tatsächlich sind: ein wichtiger Bestandteil des Lohns.
Absurderweise sind es die Unternehmer und Betriebswirte, die das genau so sehen. Und das, obwohl ihre Lobbyisten in Berlin ständig über zu hohe »Lohnnebenkosten« klagen. In den Kalkulationen der Firmen sind alle Kosten, die den Arbeitnehmer betreffen, Lohnkosten. Es handelt sich um Aufwendungen, die sie erbringen müssen, wenn sie jemanden beschäftigen wollen. Wohin diese Aufwendungen fließen – ob in ein neues Auto, in die Miete oder in die Sozialversicherung des Arbeitnehmers – ist aus unternehmerischer Sicht völlig egal: Es bleiben Lohnkosten, ohne jedes »Neben«.
So steht es auch in einem Papier des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln: »Denn es ist durchaus denkbar, dass eine Zusatzleistung für den Arbeitnehmer von größerem Nutzen sein kann als eine für das Unternehmen entsprechende Lohnerhöhung. Dies kann beispielsweise bei der freiwilligen Umwandlung von Entgeltbestandteilen in Beiträge für die betriebliche Altersversorgung der Fall sein. Daher ist es unzutreffend, die Arbeitskosten in >gute< Löhne und >schlechte< Personalzusatzkosten aufzuteilen.«224
Für Unternehmen kommt es bei der Beschäftigung von Arbeitskräften nur darauf an, ob das Gesamtpaket bezahlbar ist – oder eben nicht. Entsprechend verhalten sich die Arbeitgeber auch in den Lohnverhandlungen mit den Gewerkschaften. »Bei Tarifverhandlungen wird über die gesamten Lohnkosten verhandelt«, heißt es in einem Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.225 »Wenn die Sozialversicherungsbeiträge steigen, werden Arbeitgeber versuchen, die ausgezahlten Direktlöhne weniger steigen zu lassen.«
Lohn und »Lohnnebenkosten« gehören also zusammen. Doch gibt es einen wichtigen Unterschied:
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