Größenwahn · Ursachen und Folgen der Selbstüberschätzung by Itten Theodor

Größenwahn · Ursachen und Folgen der Selbstüberschätzung by Itten Theodor

Autor:Itten, Theodor [Itten, Theodor]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sachbuch
ISBN: 9783280055908
Herausgeber: Orell Füssli Verlag
veröffentlicht: 2016-04-22T00:00:00+00:00


9 Spielt Gott

Die Entstehung der Sinngebung in der alltäglichen Erfahrung des Verzweifelns kann als das sich abzeichnende, äußerst lukrative Geschäft mit Allmachtsfantasien der Menschen, mit der religiösen Vorstellung des Größenwahns, welchen unsere Vorfahren auf Tiere, auf Götzenbilder, auf Nichtbilderworte projizierten, gesehen werden. Dieses religiöse Größenwahnverhalten ist viel älter als die Erfindung der Schrift. Wir können gerne weiterhin munter drauflosgöttern, erlaubt uns der kritische und unberechenbare Wiener Theologe Adolf Holl. Er spielt in seinem Buch »Braunau am Ganges« mit dem Vielgott (Hinduismus) und dem Nullgott (Buddhismus) und weist, als suspendierter Priester, darauf hin, dass Eingott (jüdisch, christlich, muslimisch) Unfrieden stiftet. Das uns Vertraute, das wir in unseren Vorurteilen als Wahrheit erkennen möchten, halten wir hoch als Schutzschild, dem wir vertrauen. Den heutigen Religionskonflikt um Goldene Kälber, Stiere und Kühe vergleiche ich mit internationalen Sinngebungsfirmen mit vielen Aktionärinnen und Aktionäre, deren Einlagen an der Himmelsbörse gehandelt werden. Große Gewinne erzielen, die größte Götterfirma weltweit werden, sei’s durch das Anzetteln von Religionskriegen, sei’s durch lukratives Verhökern von wunderanpreisenden Erzählungen von Heldentaten und Fantasiewelten, ist wichtig. Masse und Macht. Religionsgrößenwahn ist für mich als jemand, der hinter dem Religionsbühnenvorhang aufgewachsen ist, die menschliche Götter-Fantasie-Projektion par excellence. Anfangs war dieser Gedankenzauber ein durch Angst geleiteter Fantasieschub, der als Brücke zu den Unerklärlichen diente, um aus der Sinnlosigkeitssackgasse herauszukommen. Wie gründe ich eine Religion, ist nach wie vor eine legitime Frage. Im kosmischen Palast sind viele Wohnungen und tausend Jahre sind wie ein Tag. In Wirklichkeit können wir mit unserem beschränkten Menschenhirn uns nicht wirklich vorstellen, was kosmologisch abgeht. Im tadellosen Bannungszauber nennen die Religionsgründerinnen, und nicht nur die, das Unwissbare, Unfassbare »Gott«.

Was uns (als Spezies gedacht) in den Anfängen als Homo sapiens geholfen hat, die Angst vor den Raubtieren, deren Futter wir waren, zu bannen, waren die beschwörenden Gesänge, ausgeübten Rituale und konstruierten Kosmologien. Sein oder Nichtsein ist keine Frage mehr, da die Antwort scheinbar geschrieben steht. Angesichts eines gezückten Messers oder eines Revolverlaufes an der Stirn kommt bei jedem von uns eine absolute existenzielle Einsamkeit zum sofortigen Stillstand, weil Religion nicht nur einen Schutz-Dienst in der Gemeinde vollbringt, sondern, wie wir Heutigen tagtäglich in den Nachrichten hören können, einen über die Schwelle zur Jenseitserfahrung spedieren kann. Henryk M. Broder vereint in seiner Essaysammlung mit dem schwungvollen Titel »Die Irren von Zion« Berichte von Lebenslagen und Erfahrungen im heutigen Israel, wo Fanatiker, Größenwahnsinnige, eigennützige Helden, ungeduldige Fundamentalisten jeglicher Couleur sich in einem tödlichen Spiel tummeln. Das darf nicht enden, weil ansonst eine religiöse und politische Interessensgruppe die Oberhand bekommen könnte. Dieser mittlerweile normal gewordene abgründige Wahnsinn – der Wahnsinn der Normalität – darf nicht beendet werden. Unvorstellbar für die Mitmachenden, wenn es keine göttlichen Kommandos mehr geben dürfte. Heilige Ruhe in den Hainen würde die milliardenfachen Schreie der im Namen Gottes ermordeten Leidensgenossen unerträglich machen. Warten wir ab. Zur Unterhaltung wird »Warten auf Godot« gegeben, damit der Kontakt zur Außenwelt nicht ganz verloren geht. Religionsschmugglern wird auf dieser Welt ihr manipulatives, rechthaberisches Größenwahnhandwerk nie und nimmer gelegt werden können. Atheisten dürfen sich gerne setzen. Je



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