Frau Neumann haut auf den Putz by Susanne Neumann

Frau Neumann haut auf den Putz by Susanne Neumann

Autor:Susanne Neumann [Neumann, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2017-01-26T23:00:00+00:00


6 Mittelschwer beleidigende Bezeichnung von Personen

7 Gauner

4.

»Wenn deine Nummer gezogen wird, biste weg« – Meine späte Versöhnung und keine besonders rosigen Aussichten

Über 20 Jahre lang hatte ich nichts von meinen Eltern gehört. Es herrschte komplette Funkstille zwischen uns. Anfangs, nach der Trennung von Thomas, versuchte ich noch, immer mal wieder Kontakt zu ihnen aufzunehmen – auch und vor allem, damit sie mitbekamen, wie es ihren Enkeltöchtern Nadine und Sabrina ging. Aber irgendwann schliefen auch diese leider ziemlich einseitigen Versuche ein. Das Tischtuch zwischen uns war einfach zerschnitten – einerseits wegen der Scheidung, die sie einfach nicht verstehen konnten und wofür sie allein mir die Schuld gaben. Andererseits aber auch wegen meines Berufes, für den sich Mutter und Vater immer vor den Nachbarn schämten. Insofern wusste ich sofort, dass etwas passiert war, als das Telefon klingelte und sich meine kleine Schwester ebenfalls nach längerer Zeit wieder einmal bei mir meldete.

»Mama ist tot«, sagte sie.

Im Gegensatz zu mir hatte sie immer eine verhältnismäßig innige Beziehung zu unseren Eltern aufrechterhalten, weil sie als Nesthäkchen ganz andere Menschen kennenlernen durfte als ich oder meine große Schwester. Bei ihr machten die beiden viele Fehler nicht mehr, die wir als die älteren Kinder noch bitter zu spüren bekamen. Dass das Leben aber in manchen Momenten sehr ungerecht sein konnte, ließ sich eben nicht mehr ändern. Ich war nun wirklich ein genügsamer Mensch, was Gefühle anging, und wenn ich nur einen Bruchteil des Vertrauens und der Zuneigung erfahren hätte, wie es die Kleinste von uns drei Kindern früher spüren durfte, wäre ich wahrscheinlich schon vollauf zufrieden gewesen. So aber war meine schrittweise Distanzierung vom Elternhaus die einzige Möglichkeit, wie ich mit dieser andauernden Zurückweisung umgehen konnte. Jedenfalls teilte mir mein Schwesterlein noch Ort und Tag der Beerdigung mit, und das war’s.

Ich wusste nicht recht, wie ich auf diese überraschende Nachricht reagieren sollte. Natürlich war mir der Tod meiner eigenen Mutter nicht egal. Trotzdem empfand ich keine Trauer und keinen Schmerz. Mir war lediglich mulmig, weil klar war, dass ich auf der Bestattungsfeier auch auf meinen Vater treffen würde, der mittlerweile 75 Jahre alt geworden war und von dem ich weder wusste, wie es ihm ging, noch, wie er wohl auf mich reagieren würde. Aller unbehaglichen Gefühle zum Trotz beschloss ich hinzugehen. Ich wollte mir von meiner restlichen Familie nichts nachsagen lassen. Und außerdem kann man nie wissen, ob einem solche Versäumnisse später mal nicht doch um die Ohren fliegen, wenn man vor seinem letzten Richter steht.

Als Vater und ich uns am Grab erstmals seit mehr als zwei Jahrzehnten in die Augen sahen, nickten wir uns nur kurz zu. Auch beim anschließenden Kaffeetrinken unterhielten wir uns nicht. Nur zum Abschied drückte er mich kurz an sich, sagte auf Wiedersehen und verschwand mit meinen beiden Schwestern, die ihn nach Hause fuhren. Danach war die Sache für mich erledigt – und für meinen alten Herrn offensichtlich auch, denn ich hörte erneut nichts mehr von ihm. Bis ich eineinhalb Jahre später plötzlich einen unerwarteten Gesprächspartner in der Leitung hatte.

»Ich bin’s«, sagte eine brüchige Stimme, und ich stand voll auf dem Schlauch.



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