Familienjahre: Wie unser Leben mit Kindern gelingt (German Edition) by Schulte-Markwort Prof. Dr. Michael

Familienjahre: Wie unser Leben mit Kindern gelingt (German Edition) by Schulte-Markwort Prof. Dr. Michael

Autor:Schulte-Markwort, Prof. Dr. Michael [Schulte-Markwort, Prof. Dr. Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Droemer eBook
veröffentlicht: 2019-09-26T00:00:00+00:00


Frühe schulische Sozialisation

Die ersten Schritte in der Schule haben aber nicht nur etwas mit Lernen und kognitiver Entwicklung zu tun. Nach dem Kindergarten entsteht nun auch ein soziales Gefüge, das vier Jahre und darüber hinaus halten wird – und halten muss. Auf die Zusammensetzung der Klasse hat man in der Regel bis auf die Benennung von ein, zwei Freunden keinen Einfluss. Es formiert sich eine Gruppe, die fortan von Freundschaft, Rivalität und Konkurrenz getragen wird.

Unser elterliches Auge möchte am liebsten nur den ersten Teil sehen und erleben. Wie schön wäre es, wenn sich innerhalb der Klassengruppe friedlich nebeneinander Freundschaftsgruppen etablieren. Die Realität ist anders. Es gibt den Klassenclown, der ablenkt. Den Bully, der andere terrorisiert. Es gibt Lehrer, die die ganz wilden Kinder gerne neben ein stilles Mäuschen setzen, als würden die sich gegenseitig erziehen. Sie werden viel erleben – und sich gewiss manchmal an die eigene Schulzeit erinnert fühlen, denn so anders ist das heute leider gar nicht.

Auch in Klassen, die friedlich und konstruktiv miteinander in Kontakt kommen, spielen die anderen Themen eine Rolle, nur dass sie konstruktiv gelöst werden. Je seelisch reifer eine Klasse ist, desto weniger werden Rivalität und Konkurrenz spürbar. Natürlich kann der Wettbewerb: »Wer ist der Beste?«, auch auf eine Weise ausgetragen werden, dass die Verlierer sich positiv angespornt fühlen oder sich genügsam mit ihren Plätzen abfinden (was ein sehr reifer innerer Vorgang sein kann!). Neben dem Leistungswettbewerb geht es aber auch um Rivalität und Konkurrenz in Sachen Freundschaften und um Sympathien der Lehrerinnen. Das ist ganz genau wie zu Hause, wenn mehrere Kinder da sind: Natürlich wird um die Gunst der Eltern gerungen und konkurriert. Eifersucht ist eine emotionale Größe, von der kein Mensch jemals frei ist. Daheim wie in der Schule. Aber normalerweise werden diese Gefühle nicht hinderlich. Die emotionale Aufgabe des Kindes nach der Einschulung ist es nämlich auch, sich im sozialen Gefüge der Gruppe zurechtzufinden. Das bedeutet, dass es neben der Aktivierung von Freundschaften um den eigenen Platz im Gruppengefüge geht.

Jede Gruppe – unabhängig, ob kindlich oder erwachsen – lebt bestimmte Gesetzmäßigkeiten, nach denen Macht und Ohnmacht, Inklusion und Ausgrenzung gelöst werden. Dazu hält jede Gruppe entsprechende Positionen vor. Die beiden wichtigsten sind die des »Alpha« und des »Omega«. Alpha ist die Anführerposition, ist das Mitglied der Gruppe mit der meisten Anerkennung aller »Betas«, der sogenannten – und das ist nicht abwertend gemeint – Mitläufer. Omega ist die Position des realen oder potenziellen Außenseiters. Eine schwere Position, weil manche Gruppen sich darüber stabilisieren, dass sie an einem Omega festhalten, ihn für sich brauchen. Wenn alle sich einig darüber sind, dass ein bestimmtes Gruppenmitglied schrecklich ist und nicht dazugehören soll, dann festigt die Gruppe ihren Zusammenhalt dadurch, weil in der gemeinsam gehegten Fantasie alles besser wäre ohne Omega. Das ist ähnlich wie in großen Gruppen, Gesellschaften z.B., in denen der Fremdenhass zu einem Konsens führt: Wenn die Fremden nicht bei uns wären, würde es uns besser gehen …

Es hängt vom Reifegrad einer Gruppe ab, ob sie auf die Ausgrenzung eines Mitglieds angewiesen ist, um dadurch besser und enger zueinanderzufinden.



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