Evolution, Denken, Kultur by Clive Gamble John Gowlett & Robin Dunbar

Evolution, Denken, Kultur by Clive Gamble John Gowlett & Robin Dunbar

Autor:Clive Gamble, John Gowlett & Robin Dunbar
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg


Technologischer Wandel

Wenn wir den technologischen Wandel und seine Triebkräfte einschätzen wollen, können wir auch fragen, an welcher Stelle das soziale Gehirn ins Spiel kommt. Eine einfache Erklärung für die Entstehung der von früheren Generationen genutzten Technologie würde lauten: Es zahlte sich aus, schlauer zu sein, sodass man die Technologie entwickeln und nutzen und sich Ressourcen verschaffen konnte. Wenn dazu ein größeres Gehirn erforderlich war, wurde es begünstigt, und der Selektionsdruck sorgte dafür, dass es sich entwickelte. Mittlerweile können wir aber erkennen, dass diese Erklärung für die Triebkraft der Technologie zu einfach ist. Die meisten Menschen bedienen sich während des größten Teils ihrer Zeit nicht aktiv technischer Mittel, und deshalb sollte dies nicht übermäßig viel Gehirnleistung erfordern. In den Bevölkerungsgruppen unserer Zeit gibt es große Unterschiede: Die einen verfügen über gewaltige Mengen an Technologie, die anderen über sehr wenig; dies scheint aber keine Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Gehirns oder die Intelligenz zu haben. Selbst ein Schimpanse kann nicht nur selbst Werkzeuge herstellen, sondern auch viele von Menschen gemachte Werkzeuge sehr effizient nutzen und sich dies häufig selbst beibringen.

Im Gegensatz zu einem technischen Szenario sagt die Hypothese vom sozialen Gehirn voraus, dass jede Zunahme der Gehirngröße in einer Homininenpopulation von sozialen Faktoren angetrieben wird. Eine einfache Erklärung für die Vorgänge im Zusammenhang mit der Entstehung der Gattung Homo (und auch der Technologie) lautet: Die Homininen mussten in einer offeneren Landschaft leben, und dazu mussten sie in größeren Gruppen, über größere Entfernungen und über längere Zeiträume hinweg tätig werden – und zur Organisation von alledem brauchten sie ein größeres Gehirn, ganz zu schweigen von der sozialen Notwendigkeit, getrennt zu leben und dennoch in Kontakt zu bleiben. Den eindeutigsten Hinweis auf die Größenordnung der Bewegungen liefern die Transportwege der Steinwerkzeuge. Oldowan -Werkzeuge wurden nur in seltenen Fällen aus Steinen hergestellt, die man über mehr als fünf Kilometer herantransportiert hatte; dennoch sieht es so aus, als seien sie ausgewählt worden, weil sie sich besonders gut abschlagen lassen. Im späteren Acheuléen verdreifachen sich die Entfernungen, und in einigen Fällen ist zu erkennen, dass die Steine über viel größere Entfernungen transportiert wurden. Auch hier lassen die Homininen, die Faustkeile herstellten, eine Vorliebe für ganz bestimmte Ausgangsmaterialien erkennen. Dora Moutsiou , die als Forschungsstudentin am Lucy-Projekt mitarbeitete, konnte in ihren Untersuchungen am Obsidian zeigen, dass dieses vulkanische Glas in Ostafrika im späten Acheuléen von seiner Abbaustelle über durchschnittlich 45 km transportiert wurde, und von Gadeb in Äthiopien sind aus der Zeit vor einer Million Jahren sogar maximale Entfernungen von hundert Kilometern bekannt. Ohne weitere Funde können wir aber über die Fragen des Warenaustauschs, von denen später noch genauer die Rede sein wird, bisher nichts Genaues sagen.

An diesen Entfernungen ist eindeutig zu erkennen, dass die Aufspaltung und Verschmelzung von Gruppen (s. Abb. 4.6), wie sie unter anderem durch Kollegen wie Filippo Aureli beschrieben wurden, in erweitertem Maßstab stattfanden. Von ihrem ersten Auftauchen in Ostafrika an weisen die Steinwerkzeuge auf systematische Bewegungen über mehrere Kilometer hin, und indirekt dürften sie uns auch Aufschlüsse über viele weitere Wanderungen und Interaktionen liefern, die wir nicht unmittelbar beobachten können.



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