Eine Reise durch die Ökonomie by Detlef Pietsch
Autor:Detlef Pietsch
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783658263911
Herausgeber: Springer Fachmedien Wiesbaden
3.6 Die Ordoliberalen
Wie wir an den Beispielen der bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, John Maynard Keynes und Milton Friedman, gesehen haben, streiten sich die Geister, welchen Einfluss der Staat auf das Wirtschaftsgeschehen nehmen sollte. Einerseits haben wir ausführlich die Sicht von Keynes gehört, der der Meinung war, unfreiwillige Arbeitslosigkeit im Gleichgewicht sei durch gezielte staatliche Investitionen zu reduzieren. Andererseits sah Friedman in Staatseingriffen jeglicher Art ein „Teufelswerk“, das um jeden Preis zu verhindern sei. Auch in Deutschland wurde nach dem Zweiten Weltkrieg intensiv über eine neue Wirtschaftsordnung nachgedacht, die aus den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte gespeist wurde. Einerseits hatte man mit Adam Smith die klassische liberale Position im Kopf und kannte die negativen Folgen eines zu laxen „Laissez-faire-Liberalismus“. Andererseits waren die Auswüchse des Staatsinterventionismus à la Sowjetunion und Nationalsozialismus in der Wirtschaft noch zu prägend, als dass man dieses Modell übernehmen wollte. Einflussreiche Ökonomen der frühen Nachkriegszeit wie Walter Eucken, Franz Böhm und Leonhard Miksch, die alle in Freiburg lehrten – daher auch der Begriff „Freiburger Schule“ –, ersannen daher einen Mittelweg zwischen diesen beiden extremen Positionen der Wirtschaftsgestaltung, der liberale Positionen mit einem staatlich orientierten Ordnungsrahmen kombinierte. Diese Kombination der Wirtschaftselemente wurde in Anlehnung an die 1950 gegründete Zeitschrift ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Ordoliberalismus (lat. ordo, für „Ordnung“) genannt.
Kernpunkte dieser neuen wirtschaftlichen Konzeption waren vor allem ein vom Staat zu schaffender Ordnungsrahmen für eine grundsätzlich marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung. Konkret bedeutete die Idee des Ordoliberalismus (vgl. Braunberger 2008), dass der Staat die Freiheit des Bürgers auf dem Markt und den ökonomischen Wettbewerb zu gewährleisten hat. Der Staat sei dabei lediglich für den Rahmen, für die Ordnung der Wirtschaft und die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs verantwortlich. Aus dem Wirtschaftsablauf als solchem habe der Staat sich tunlichst herauszuhalten. So solle ein funktionsfähiges System freier Preise auf einem Markt vorherrschen, der durch vollkommene Konkurrenz gekennzeichnet ist, wo also möglichst viele Anbieter und Nachfragen auftreten, die sich gegenseitig Konkurrenz machen. Alles, was das freie Spiel der Marktkräfte einschränkt, wie etwa Mono- oder Oligopole, sollte vermieden werden. Im Falle eines Monopols habe der Staat einzugreifen und die Wettbewerbssituation wiederherzustellen. Es solle ein freier Zugang zu den Märkten möglich sein, es dominiere das Privateigentum an Produktionsmitteln und die Vertragsfreiheit der handelnden Parteien untereinander.
Jeder Unternehmer sei für sein Handeln selbst verantwortlich, hafte aber auch im Fall eines Schadens – man denke in diesem Zusammenhang an die „Sozialisierung der Schulden“ im Rahmen der Bankenrettung. Zudem solle der Staat sicherstellen, dass der Geldwert stabil bleibt. Allgemein müsse der Staat in seinem Handeln einschätzbar und nachvollziehbar bleiben. Daher sei auch eine langfristig angelegte, konstante Wirtschaftspolitik Teil des ordoliberalen Konzepts. Im Laufe der Zeit haben sich die verschiedenen Vertreter des Ordoliberalismus über die Weiterentwicklung dieser Kernideen Gedanken gemacht und diese entsprechend angepasst. Die Entstehung der die Bundesrepublik der Nachkriegsjahre und bis heute prägenden Wirtschaftsform der Sozialen Marktwirtschaft war ohne das Theoriegebäude des Ordoliberalismus nicht möglich. Daher wollen wir in aller Kürze dessen wichtigste Vertreter und ihre wesentlichen Ideen skizzieren. Wir beginnen mit einem Mann, der als Begründer der Freiburger Schule und des Ordoliberalismus insgesamt gilt: Walter Eucken.
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