Die Verzauberung der Welt by Fischer Ernst Peter

Die Verzauberung der Welt by Fischer Ernst Peter

Autor:Fischer, Ernst Peter
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: Siedler Verlag
veröffentlicht: 2014-09-02T16:00:00+00:00


EXKURS

Ein romantischer Vorschlag

Im Laufe der Geschichte – nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Philosophie – sind Newtons Name und sein Uhrwerk mit Ruhm und Ehre überschüttet worden, was viele Disziplinen und ihre Vertreter neidisch gemacht hat und ihren Ehrgeiz anstachelte, einen Newton hervorzubringen oder einer zu werden. Von einem »Newton des Grashalms« (Immanuel Kant) war im 18. Jahrhundert die Rede, es gab Versuche der Wirtschaftstheoretiker, ein Newton’sches Grundgesetz für Angebot und Nachfrage zu formulieren, und viele Mühen mehr. Dieses Verlangen besteht bis heute und findet sich aktuell formuliert in dem Buch Kooperative Intelligenz. Darin versucht der interdisziplinär orientierte Wissenschaftler Martin A. Nowak biologische Beobachtungen mit mathematischen Methoden zu erklären, um zu verstehen oder zu begründen, warum Menschen einander benötigen, um erfolgreich zu sein. Kein Zweifel ein löbliches Unterfangen, die Egotrips vieler Zeitgenossen durch ein Kooperationsangebot zu unterlaufen.

Doch dann stellt der Autor Behauptungen auf, die eher altmodisch und überholt wirken und möglicherweise unnötige Ängste wiederbeleben: »Die Mathematik kann die Art, in der wir Menschen zusammenarbeiten, ebenso klar beschreiben wie den Fall des Apfels vom Baum, der Newton einst zur Formulierung des Gravitationsgesetzes inspiriert haben soll.« Nowak zeigt sich felsenfest davon überzeugt, dass es sowohl so etwas wie ein »Gesetz des gegenseitigen Kampfes« als auch ein »Gesetz der gegenseitigen Hilfe« gibt (von denen bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts der russische Fürst und Anarchist Pjotr Kropotkin geschwärmt hat). Nowak meint auch, dass Gesetze den gesamten Kosmos »regieren« und somit die Menschen »objektiv und handfest« im Griff haben. Aber da hat er seinen Planck nicht gelesen und auch die romantische Revolution übersehen, die starre und einseitige Gedanken dieser Art bereits im frühen 19. Jahrhundert überwunden und sich kreativer gezeigt hat.

Es gab sie einmal, die Angst vor einer durchgehenden Gesetzmäßigkeit und damit Prognostizierbarkeit der Dinge und Abläufe, die keinen Freiraum ließen und ein Leben vorbestimmt und vorhersehbar machten. Es gab diese Angst im Verlauf des 18. Jahrhunderts, als immer deutlicher wurde, wie gut die Newton’schen Gesetze etwa die Gezeiten begründen und sogar die abgeflachte Form der menschlichen Heimat im Kosmos, also der Erde, ziemlich genau berechnen konnten. In Newtons Licht sah die Welt durchgängig determiniert aus, doch dann entdeckten die Menschen, dass es nicht allein leuchtet und es dazu ein Gegenlicht gibt.

Romantiker wie Novalis und phantastische Autoren wie E. T. A. Hoffmann betrachten Newtons Kugel zwar beeindruckt, inszenieren dann aber einen Riss durch sie, wie es der Literaturwissenschaftler Peter von Matt in seiner Abschiedsvorlesung »Newtons Licht und Hoffmanns Nacht« ausdrückt. Die Geschichten der Romantik zeigen den Sprung in Newtons Uhrwerk dabei »als die Erfahrung einzelner Menschen«, »als ein vielfaches Menschenschicksal, das Schicksal seiner Helden, seiner vielen stolpernden dahinhühnernden Jünglinge, aber auch einiger junger Frauen«. Diese Geschichten enthalten und zeigen das »bedrohliche« Wissen, dass Newtons geschlossener Kosmos »nicht das Ganze sei, sondern nur ein Entwurf vom Ganzen, eine grandiose Spekulation, und dass es ein Anderes geben könnte, was immer das wäre und wie immer man dazu sagen würde«.

Die Romantiker betonten, dass Werte – anders als Tatsachen – nicht erkannt, sondern geschaffen werden, und zwar von jeder Person in ihrem eigenen Bereich und für ihre eigenen Entscheidungen.



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