Die Psychologie des Gelingens by Gabriele Oettingen
Autor:Gabriele Oettingen
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Knaur e-books
Abb. 7: Je höher die Erfolgserwartungen, desto stärker die kognitive Assoziation zwischen Realität und zielführendem Verhalten (links) und der Häufigkeit der Treppenbenutzung (rechts) bei den mental kontrastierenden Teilnehmern. Bei revers kontrastierenden Teilnehmern war ein solches Ergebnismuster nicht zu erkennen.
Hat jemand Lust auf Schach?
Lassen Sie uns einen Schritt zurückgehen. Sie erinnern sich an Katrin, die so gern eine Eins in ihrer Philosophieprüfung schaffen wollte. Sie hat sofort erkannt, dass die Party, zu der sie eingeladen ist, ihrem Wunsch im Wege steht. In ihrem Kopf ist die Verbindung klar: Bier + Freunde + lange Nacht = Prüfungskatastrophe. Aber wir erinnern uns auch: Katrin ist ziemlich gut in Philosophie. Ihre Freundin Anna, die sonst überall Bestnoten bekommt, studiert im Hauptfach Agrarwissenschaften und hat den wahlfreien Philosophiekurs nur aus einer Laune heraus in ihren Stundenplan aufgenommen. Sie hat ziemlich viel zu tun und brauchte noch einen »leichten« Kurs, bei dem sie nicht so viel arbeiten muss. Außerdem ist der Philosophiedozent dafür bekannt, dass man bei ihm ohne Probleme eine Zwei bekommen kann. Aber inzwischen hat sich herausgestellt, dass der Kurs doch nicht so einfach ist, wie sie dachte. Nachdem Anna für ihre anderen Veranstaltungen wirklich viel arbeiten muss, ist sie noch nicht einmal dazu gekommen, Rousseaus Gesellschaftsvertrag zu lesen. Hegels Phänomenologie des Geistes könnte ebenso gut in Sanskrit geschrieben sein – sie versteht kein Wort. Anna weiß genau, dass sie in dieser Prüfung keine großen Chancen hat, egal, wie viel sie in den nächsten zwei Tagen noch lernt. Was sie angeht, so ist die Party kein Hindernis für eine gute Note, weil sie ohnehin keine gute Note bekommen wird. So gesehen, kann sie ebenso gut die Nacht durchfeiern, mit ihren Freunden jede Menge Bier trinken und auf der Rückfahrt irgendwo noch einen fetten Burger essen. Der Kater am Sonntag kümmert sie wenig. Sie genießt die Freiheit des Studentenlebens, ihre Prüfungen im Hauptfach hat sie hinter sich, und in drei Wochen gibt es für die Philosophieprüfung noch einen Nachschreibetermin.
Jenseits der Wirkung auf die nicht-bewussten kognitiven Assoziationen vermutete ich, dass mentales Kontrastieren auch wirken müsste, indem es die Bedeutung der Realität als Hindernis beeinflusst, und zwar im Bewussten und im Nicht-Bewussten. Mein Ausgangspunkt war: Wenn Leute wie Katrin mental kontrastierten, erschiene ihnen die Realität negativer und würde deutlicher als Hindernis wahrgenommen. Bei Leuten wie Anna erschiene die Realität in einem positiveren Licht und weniger als Hindernis. Wenn ein Teil dieses kognitiven Vorgangs nicht-bewusst abliefe, würde die veränderte Bedeutung der Realität die Betroffenen näher an ihren Wunsch heran oder weiter von ihm weg bewegen, ohne dass sie dazu bewusst irgendetwas tun müssten.
Andreas Kappes und ich forderten einhundertdreißig Studenten dazu auf, die Wahrscheinlichkeit einzuschätzen, mit der sie in einem bestimmten Kurs ihre Wunschnote erreichen würden. [100] Wir teilten sie in drei Gruppen ein und ließen eine davon mental kontrastieren; die Kontrollgruppen praktizierten entweder reverses Kontrastieren oder Grübeln über die Realität, die ihrer Wunschnote im Wege stand. Danach fragten wir alle Teilnehmer, inwieweit sich die gegenwärtige Realität (also das Hindernis) angenehm anfühlte. Wir untersuchten auch bei allen, wie gut sie sich auf die Abschlussprüfung vorbereiteten.
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