Die Othello-Falle by Hantel-Quitmann Wolfgang

Die Othello-Falle by Hantel-Quitmann Wolfgang

Autor:Hantel-Quitmann, Wolfgang
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sachbuch, Psychologie, Denken, Denkfehler, Gesellschaft, Gegenwart, Wahrnehmung
Herausgeber: Klett-Cotta
veröffentlicht: 2017-03-18T16:00:00+00:00


DIE PSYCHOPATHOLOGIE DES ALLTAGSLEBENS

Darf ich Ihnen meine Mutter … äh … meine Frau vorstellen …

Der Klient errötet, während er dies sagt, ihm ist die Situation sofort peinlich, aber seine Frau reagiert recht souverän und sagt: Nun kennen Sie auf die Schnelle schon unser Problem. Und dabei lacht sie sympathisch. Sie sollte für lange Zeit recht behalten. Aus seiner Sicht behandelte sie ihn wie ein Kind, aus ihrer Sicht benahm er sich wie eines. Er wollte mit der Mutter keinen Sex mehr, sie auch nicht mit einem Mamasöhnchen. Er hatte immer eine starke Bindung zu seiner Mutter gehabt und eine solche gute Mutter in ihr wiedergefunden; und sie hatte über viele Jahre einen unerfüllten Kinderwunsch gehabt. Hatte er also in ihr eine Mutter gefunden, die auch seine Liebhaberin sein sollte? Und hatte sie in ihm einen Kindersatz gefunden, weil sie selbst kein Kind bekommen hatte? Ohne diesen Versprecher hätten wir viel länger gebraucht, um die Dinge beim Namen zu nennen.

In seinem Buch Die Psychopathologie des Alltagslebens hat sich Freud mit Fehlern und Irrtümern des menschlichen Alltags beschäftigt und versucht, diesen Phänomenen auf den Grund zu gehen. Es geht um alles, was man bis dahin lediglich dem Zufall oder einer mangelnden Aufmerksamkeit zuschrieb: Vergessen, Versprechen, Verlesen und Verschreiben, Vergreifen und Irren. Das Buch ist nicht nur eine Fundgrube für Beispiele zu dem Thema, es sagt auch viel über den Autor aus, und der versucht erst gar nicht, dies zu verheimlichen. Im Gegenteil, er nimmt sich selbst oft als Beispiel. Wenn ich die an mir beobachteten Fälle von Namenvergessen analysiere, so finde ich fast regelmäßig, daß der vorenthaltene Name eine Beziehung zu einem Thema hat, welches meiner Person nahe geht, und starke, oft peinliche Affekte in mir hervorzurufen vermag (Freud 2014, 85). Freud hat nicht nur selbst viele Beispiele gesammelt, sondern auch alle seine Kolleginnen und Kollegen gebeten, ihm Beispiele aus ihrer Praxis zu schicken und daher liest sich das Buch vielseitig und interessant. Da ist die Rede davon, dass etwas zum Vorschwein kommt … Dass der Herr ihr gleich beim ersten Rendezvous seine erotischen Absichten durch die Bluse zu verstehen gab … Da sagt ein Mann zu seiner offensichtlich übergewichtigen Frau: Du kannst doch Essen und Trinken, was ich will! Da bittet der Juniorchef bei einer Feier zu Ehren des Firmenchefs auf sein Wohl aufzustoßen. Da verabschiedet ein Mann seine Verwandtschaft, die bei ihm mehrere Tage zu Besuch war mit den Worten: Ich hoffe euch in Zukunft noch seltener zu sehen als vorher! Mehr als 100 Jahre nach Erscheinen des Buches spricht man heute bei solchen Gelegenheiten von einem Freudschen Versprecher und hofft damit, die Lacher auf seiner Seite zu haben und damit der Peinlichkeit der Situation ausweichen zu können.

Solche Bemerkungen erscheinen unabsichtlich, als Folge mangelnder Konzentration oder äußerer Ablenkungen, sind allerdings aus Freuds Sicht ein Hinweis auf unbewusste Absichten und Motive. Das Versprechen entpuppt sich als Teil der inneren Wahrheit, als durch den Versprecher ans Tageslicht kommende wahre Meinung, die er oder sie sich nicht traute, offen anzusprechen. Man darf ganz



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