Die kurzen und die langen Jahre by Thommie Bayer

Die kurzen und die langen Jahre by Thommie Bayer

Autor:Thommie Bayer [Bayer, Thommie]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub, azw3
ISBN: 9783492966061
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


1976

Auf irgendeine Art, die ich selbst nicht ganz verstand, musste ich durch die Woche mit Anke und vielleicht auch die Reise nach Holland an Selbstsicherheit und offenbar auch an Ausstrahlung gewonnen haben, denn kurz darauf interessierten sich auf einmal die Frauen für mich, sprachen mich an, schleppten mich ab, machten es mir leicht, und ich brauchte nur noch freundlich zu sein und mitzukommen.

Manche dieser Liebschaften waren nur kurz, dauerten einige Tage oder Wochen, manche hielten etwas länger, aber so richtig fest wurde keine – ich hatte den Verdacht, ich würde von den Frauen gewogen und für zu leicht befunden. Da mir das recht war und ich das Casanovaleben in vollen Zügen genoss, machte ich mir deswegen keine düsteren Gedanken, sondern fühlte mich privilegiert und verwöhnt und auf eine mir ebenfalls nicht ganz verständliche Art Sylvie irgendwie ebenbürtig.

Manchmal fragte ich sie um Rat, wenn eine der Frauen etwas mir nicht Einleuchtendes verlangte, sagte oder tat, aber so richtig ernst war es nie, weil mir keine von ihnen so wichtig war wie Sylvie, und sie schien das zu spüren, denn ihre Antworten und Ratschläge hatten oft etwas Nachsichtiges und Ungeduldiges, als wäre ich sieben oder acht und käme mit Themen an, die für mich noch nicht von Bedeutung sein konnten.

Wenn ich gelegentlich mein Spiegelbild prüfte, hielt ich mich für gut aussehend und dachte, das sei der Schlüssel zu meinem überraschenden Erfolg, und nur in sehr seltenen Momenten schlich sich der Verdacht an mich heran, es liege an meiner Freundschaft zu Manni, der inzwischen ein Star in der Stadt war, dessen Erscheinen an manchen Orten Raunen und Gekicher auslöste.

Sylvie war enerviert von dem Getue, dem Tuscheln und Gaffen der Schüchterneren und Fachsimpeln der Mutigeren, sie gab sich Mühe, dieses dauernde Anhimmeln und Kokettieren nicht ihm übel zu nehmen, aber da ihr das nur manchmal gelang, stritten sie oft, also ging sie irgendwann einfach nicht mehr mit ihm aus.

»Werd bloß nicht berühmt«, sagte sie manchmal zu mir, und ich versprach es.

Unsere Briefe gingen zwar nicht wöchentlich, aber doch so etwa zwei-, dreimal im Monat hin und her, manchmal kurz, manchmal ausführlich, und es bürgerte sich ein, dass wir das, was in ihnen zur Sprache kam, bei unseren Treffen nicht erwähnten. Wenn wir, meist an den Wochenenden, ins Kino gingen oder gemeinsam kochten, redeten wir über unseren Alltag, den eben gesehenen Film, Musik, Mannis unaufhaltsamen Aufstieg, seine immer häufigeren und immer besser besuchten Konzerte, seine penetranten Fans, eine Deutschlandtournee, die Sylvie für den ganzen Mai buchen wollte, weil dann das Album lang genug draußen und hoffentlich im Radio gelaufen sein würde – einfach das, was uns gerade durch den Kopf ging oder am Tag zuvor geschehen war.

Die komplizierteren Gedanken, die wackligeren Gefühle, die Rätsel, die wir uns manchmal selbst aufgaben, blieben den Briefen vorbehalten. Das abgetriebene Kind allerdings kam nie mehr vor, und wenn wir unsere Hollandreise erwähnten, dann so, als wären wir einfach auf einem Ausflug dort gewesen. Um die hübsche Stadt Maastricht zu sehen. Oder die verblüffende Freundlichkeit der Holländer kennenzulernen.

~

Knut hatte sich



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