Die Kunst des Pirschens by Castaneda Carlos

Die Kunst des Pirschens by Castaneda Carlos

Autor:Castaneda, Carlos [Castaneda, Carlos]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-06-05T16:00:00+00:00


Dritter Teil

DIE GABE DES ADLERS

9. Die Regel des Nagual

Don Juan war ungemein sparsam mit Mitteilungen über sich und die Ereignisse seines persönlichen Lebens gewesen. Seine Zurückhaltung war im Grunde ein didaktisches Hilfsmittel; wie er es sah, so hatte seine Zeit erst damit begonnen, daß er ein Krieger wurde; alles, was er vorher erlebt hatte, war von geringer Bedeutung für ihn.

Ober diesen früheren Abschnitt seines Lebens wußten la Gorda und ich nur, daß er in Arizona geboren und von Yaqui- und Yuma-indianischer Abstammung war. Als kleines Kind nahmen seine Eltern ihn nach Nordmexiko, wo sie bei den Yaquis lebten. Im Alter von zehn Jahren geriet er in die Wirren der Yaqui-Kriege. Seine Mutter wurde damals getötet, und sein Vater wurde von der mexikanischen Armee verhaftet. Don Juan und sein Vater wurden in ein Umsiedlungslager im südlichsten Staat Mexikos, in Yucatan geschickt. Dort wuchs er auf.

Was ihm während dieser Zeit seines Lebens geschah, davon erfuhren wir nie etwas. Don Juan meinte, es sei nicht nötig, uns davon zu erzählen. Ich dachte anders darüber. Dieser Teil seines Lebens erschien mir so wichtig, weil ich davon überzeugt war, daß die besonderen Eigenheiten und die Überzeugungskraft seiner Führung auf diesem persönlichen Erfahrungsschatz beruhten.

Doch dieser Erfahrungsschatz, wie wichtig er sein mochte, war nicht das, was ihm in unseren Augen und in den Augen seiner übrigen Gefährten eine so hervorragende Bedeutung verlieh.

Seine absolute Überlegenheit beruhte auf dem Zufall, daß er sich mit der »Regel« eingelassen hatte.

Sich mit der Regel einlassen, das läßt sich vielleicht so beschreiben, daß man einen Mythus lebt. Don Juan lebte einen Mythus -ein Mythus, der von ihm Besitz ergriff und ihn zum Nagual machte.

Don Juan erzählte, daß er, als die Regel von ihm Besitz ergriff, ein aggressiver, aufsässiger Mann war, der in der Verbannung lebte - wie tausend andere Yaqui-Indianer aus dem Norden Mexikos es damals taten. Er arbeitete auf den Tabakfeldern

Südmexikos. Eines Tages, nach der Arbeit, wurde er im Verlauf einer - beinah tödlich ausgegangenen -Auseinandersetzung mit einem Arbeitskollegen, bei der es um Geld ging, durch einen Schuss in die Brust verletzt. Als er sein Bewußtsein wiedererlangte, beugte ein alter Indianer sich über ihn und stocherte mit seinem Finger in der kleinen Schusswunde. Die Kugel war nicht in die Brusthöhle eingedrungen, sondern steckte im Muskel über den Rippen. Don Juan wurde noch zwei- oder dreimal ohnmächtig, vor Schreck, wegen dem Blutverlust und - wie er selbst sagte - aus Angst vor dem Sterben. Der alte Indianer entfernte die Kugel, und da Don Juan sonst nirgends bleiben konnte, nahm er ihn mit in sein Haus und pflegte ihn über einen Monat lang.

Der alte Indianer war freundlich, aber streng. Eines Tages, als Don Juan schon recht bei Kräften und beinah wiederhergestellt war, gab der alte Mann ihm einen tüchtigen Schlag auf den Rücken und zwang ihn so in einen Zustand gesteigerter Bewußtheit, und ohne weitere Vorbereitung offenbarte er Don Juan jenen Teil der Regel, die sich auf den Nagual und seine Aufgabe bezieht.

Genau dasselbe machte Don Juan mit mir und mit la Gorda; er



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