Die Kunst des klugen Umgangs mit Konflikten by Ruth Enzler Denzler

Die Kunst des klugen Umgangs mit Konflikten by Ruth Enzler Denzler

Autor:Ruth Enzler Denzler
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg


2.3 Der Klient, der seine Psychologin mit einem Firmengründer verwechselte

„In der Geschäftsleitungssitzung waren alle gegen mich, also musste ich jeden Einzelnen von meinen Argumenten überzeugen, und jetzt haben sie es endlich begriffen. Ich habe sie überzeugt, mich durchgesetzt, und nun sind alle meiner Meinung. Ich habe recht bekommen.“ Franz wirkt euphorisch und aufgeräumt. Renate ist genervt und wechselt das Thema: „Hast du mit deiner Bank reden können? Bekommst du endlich die dringend benötigte Krediterhöhung?“ Sie stellt die Frage nebenher, um sich ihre Sorge nicht anmerken zu lassen. „Natürlich läuft alles schief, und wir haben riesige finanzielle Probleme in der Firma, doch habe ich das nicht zu verantworten, das geht auf die Fehlentscheidungen der Firmengründer vor fünf Jahren zurück. Ich bade aus, was die mir eingebrockt haben, die sind an allem schuld, und das Gericht wird mir noch recht geben“, antwortet Franz mit wegwerfender Handbewegung und einem steifen Lächeln im Gesicht. Renate gibt sich Mühe, ihren sarkastischen Unterton zu verbergen, als sie meint: „Franz, täusche ich mich oder hast du vor fünf Jahren 100 Prozent der Anteile der Firma gekauft und mich überredet, dir meine Erbschaft als Darlehen zu geben?“ „Ach, das haben wir doch vor fünf Jahren schon diskutiert! Ich habe Betriebswirtschaft studiert und promoviert, und ich habe bei einem Großkonzern in der Direktion gearbeitet, ich glaube nicht, dass du mir als Hausfrau in geschäftlichen Dingen noch etwas zu erklären brauchst! Was hast du übrigens für ein Geschenk für die Einladung bei Professor Wehrli für morgen Abend gekauft?“ Renate schlägt sich die rechte Hand an die Stirn und murmelt verlegen: „Ich weiß noch keins. War das überhaupt meine Aufgabe?“ Daraufhin meint Franz mit einer gekünstelten Singstimme: „Findest du nicht, du könntest deinen schönen Kopf für solche Dinge verwenden? Erledige du doch zuerst deine Aufgaben, bevor du dich in meine Angelegenheiten einmischst.“

Damit ist die Unterredung beendet. Renate zieht sich frustriert zurück, wie schon so oft mit dem Gefühl, gegen ihren Mann niemals anzukommen. Wie meist in diesen Momenten schwankt sie zwischen Wut, Hilflosigkeit, Trauer, Verzweiflung und Angst. Sie ist wütend und traurig zugleich, weil sie sich Franz ständig unterlegen fühlt, hilflos, weil sie das Gefühl hat, dass ihr Mann eine Glaswand zwischen sich und anderen Menschen errichtet hat, und verzweifelt, weil jeder Versuch, etwas an der Situation zu verändern, kläglich scheitert. Renate probiert seit Jahren schon verschiedenste Strategien aus. Sie hat versucht, vernünftig zu diskutieren, hat Fachbücher studiert und sich in die Firmenunterlagen ihres Mannes eingelesen und sachliche Fragen gestellt. Sie hat schon geweint und unter Tränen ihre finanziellen Ängste angesprochen. Sie hat gebettelt, er möge ihr die Wahrheit über ihre finanzielle Situation sagen, und sie hat schon geschrien und gedroht, ihn zu verlassen. Vergeblich. Er hat es immer wieder geschafft, sie zu überzeugen, dass sie ohne ihn nicht leben kann und dass das Recht auf seiner Seite ist. Er hat immer wieder plausible Erklärungen für die finanziell schwierige Situation angeführt und die Sache so lange gedreht und gewendet, dass sie nicht mehr gewusst hat, was sie glauben soll. Seiner Ansicht nach ist er nie schuld, immer stark und intelligent.



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