Die Fotografin Die Zeit der Entscheidung by Durst-Benning Petra

Die Fotografin Die Zeit der Entscheidung by Durst-Benning Petra

Autor:Durst-Benning, Petra
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-Blanvalet
veröffentlicht: 2019-03-06T16:00:00+00:00


23. Kapitel

Am letzten Mittwoch des Monats Juli machten sich vier Menschen klopfenden Herzens auf den Weg von Laichingen nach Stuttgart.

Alexander konnte vor Aufregung kaum sprechen. Heute war der Tag der Tage. Heute würde er erfahren, ob er wirklich Talent hatte oder nicht. Wie die Prüfung wohl aussehen würde? Würde man ihm einen Gegenstand vor die Nase stellen und verlangen, dass er ihn exakt wiedergab? Eine Vase – das bekam er hin, vielleicht auch etwas Figürliches. Aber was, wenn sie verlangten, dass er einen Menschen zeichnete? Das hatte er zwar auch schon versucht, war aber nie mit dem Ergebnis zufrieden gewesen. All diese Fragen beschäftigten ihn so sehr, dass er jedes Mal, wenn ihn einer seiner Mitreisenden ansprach, lediglich mit einem Nicken oder Kopfschütteln antwortete. Die andern versuchten vergeblich, ihn so gut es ging, zu beruhigen, aufzuheitern und ihm Mut zuzusprechen. Am Ende gaben sie auf und nahmen es hin, dass er mit abwesendem Blick nach innen schaute.

Antons und Christels klopfende Herzen hingegen waren ihrer Verliebtheit und der Vorfreude auf einen schönen Tag geschuldet. Verstohlen hielten sie sich an den Händen, und Mimi und Alexander taten so, als bekämen sie es nicht mit.

Mimi konnte es ebenfalls kaum erwarten, wenigstens für einen Tag aus Laichingen wegzukommen. Nach dem seltsamen Streit mit Eveline hatte der Ort seine Süße für sie verloren. Dazu kam, dass Johann es mit dem langsam Angehen offensichtlich ernst meinte – seit dem Fest hatten sie sich zu Mimis Enttäuschung nur zwei Mal gesehen. Erwartete sie einfach zu viel? Oder war das ganz normal?, fragte sie sich.

Doch es ging ihr nicht nur um einen Tapetenwechsel, vielmehr hatte sie eine in ihren Augen vielversprechende Idee im Gepäck, mit der sie bei ein paar Fotoateliers vorsprechen wollte. Luise hatte versprochen, den Tag weitgehend bei Josef zu verbringen, so dass sie sich um ihn keine Sorgen zu machen brauchte.

»Wie geht es deiner Mutter und deiner kleinen Schwester?«, traute sich Mimi zu fragen, als Anton einmal Christels Hand losließ, um sich die Nase zu putzen. »Hat die Kleine nun schon einen Namen?«

Christel schüttelte den Kopf. »Es ist wie nach jeder Geburt – Mutter liegt völlig teilnahmslos im Bett und heult sich die Augen aus. Sie interessiert sich weder für das Kleine noch für sonst was. Fragen Sie lieber nicht, an wem die ganze Hausarbeit derzeit hängen bleibt!«, fügte sie verbittert an.

Die fröhliche Sonja weinte? Warum? Mimi runzelte die Stirn. »Ich komme deine Mutter ganz bald besuchen«, versprach sie. »Vielleicht kann ich sie ein wenig aufheitern.« Sie würde in Stuttgart eine nette Kleinigkeit für Mutter und Kind kaufen, beschloss sie.

Christel zuckte mit den Schultern, als ginge sie das alles nichts an.

Danach verstummte das Gespräch wieder.

Am Stuttgarter Bahnhof besprachen sie, wann sie sich hier wieder treffen wollten, danach trennten sie sich. Während Anton und Christel zu einem Lichtspielhaus in der Calwer Straße aufbrachen – dass es dort eines gab, hatte Anton vor Kurzem durch einen Gast erfahren –, begleitete Mimi Alexander in die Kunstschule, die in einem klassizistischen Sandsteingebäude in der Nähe des Neuen Schlosses untergebracht war.



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